»Darf ich – jung, gesund – eine U-Bahn-Rolltreppe mit wechselnder Fahrtrichtung benutzen, wenn ich genauso gut die Treppe gehen könnte? Schließlich könnten oben eine Frau mit Kinderwagen oder ein Herr mit Gehhilfe stehen, die dann warten müssen, bis niemand mehr fährt, damit sie endlich die Fahrtrichtung ändern können, um nach unten zu kommen.« Leon H., München
Seit Jahr und Tag werde ich nicht müde zu betonen, dass es sich auszahlt, moralisch richtig zu handeln. Und zwar nicht nur für die anderen, zugunsten derer man sich zurücknimmt, nicht nur für das Zusammenleben allgemein, das durch das richtige Handeln verbessert wird, sondern auch für denjenigen, der richtig handelt.
Und hier kann ich es wissenschaftlich belegen. Einer Studie aus Singapur zufolge verbraucht man 0,11 Kalorien dabei, eine 15 Zentimeter hohe Stufe hinaufzugehen, und immerhin noch 0,05 Kalorien dabei, sie hinabzugehen. Nun beträgt die ideale, beim Bau hierzulande anzustrebende Stufenhöhe nach den klassischen Untersuchungen am Kaiser-Wilhelm-Institut für Arbeitsphysiologie 17 Zentimeter (bei einer Auftrittsgröße von 29 Zentimetern), sodass der gesundheitliche Gewinn noch größer sein dürfte.
Dieser Gewinn wurde auch in der Harvard Alumni Study bestätigt, einer Kohortenstudie über mehrere Jahrzehnte mit anfangs mehr als 20 000 Teilnehmern: Bei denen, die täglich insgesamt mindestens acht Stockwerke stiegen, war die Sterblichkeitsrate im Beobachtungszeitraum um 33 Prozent geringer als bei jenen, die das nicht taten. Eine Schweizer Studie zeigte bereits nach zwölf Wochen vermehrten Treppensteigens eine Verbesserung von Blutwerten und Körperfunktionen. Sie sehen, es lohnt sich, wie vorhergesagt, auch für Sie selbst, richtig zu handeln.
Ach, das wäre jetzt fast untergegangen: Ja, es ist besser, Rolltreppen mit wechselnder Fahrtrichtung als junger gesunder Mensch nicht zu benutzen. Es gibt Menschen, die auf sie angewiesen sind, weil sie den Höhenunterschied sonst nicht oder nur schwer bewältigen können. Wenn andere die Wechselrolltreppen benutzen, vermindert das die Verfügbarkeit für diejenigen, die sie brauchen. Die sind ohnehin oft langsamer und werden dann auch noch zum Warten verdonnert. Das ist nicht gut.
Literatur:
Teh, Kong Chuan and Abdul Rashid Aziz,Heart rate, oxygen uptake, and energy cost of ascending and descending the stairs, Medicine & Science in Sports & Exercise, April 2002 - Volume 34 - Issue 4 - pp 695-699, Online abrufbar unter: http://journals.lww.com/acsm-msse/pages/articleviewer.aspx?year=2002&issue=04000&article=00021&type=abstractin
Hugo Fischer, Barbara Weißgerber: Treppen – funktionell, nutzerfreundlich, sicher. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (früher: Kaiser-Wilhelm-Institut für Arbeitsphysiologie), Dortmund 2006
Harvard Medical School, Harvard Health Publications, Walking: Your steps to health, Online abrufbar unter (Archiviert): http://www.health.harvard.edu/newsletter_article/Walking-Your-steps-to-health
Paffenbarger RS, Wing AL, Hyde RT (1978). Physical activity as an index of heart attack risk in college alumni. American Journal of Epidemiology, 108 (3), 161-175. Online abrufbar unter: http://aje.oxfordjournals.org/content/108/3/161.abstract
Meyer P, Kayser B, Kossovsky MP, Sigaud P, Carballo D, Keller PF, Martin XE, Farpour-Lambert N, Pichard C, Mach F, Stairs instead of elevators at workplace: cardioprotective effects of a pragmatic intervention, Eur J Cardiovasc Prev Rehabil. 2010 Oct;17(5):569-75, Online abrufbar unter: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20299999
Illustration: Serge Bloch