Es werde Licht

Zwischen all den Problemen der Corona-Pandemie gehen gute Nachrichten leicht unter. Unsere Lösungskolumnistin über vier ganz unterschiedliche Neuigkeiten, die ihr Hoffnung machen.

Vor Panama taucht ein Buckelwal ins Meer ein. Dank erfolgreicher Artenschutz-Maßnahmen hat sich der Bestand der Tiere in den vergangenen Jahren erholt.

Foto: dpa

Wie hilft man Kindern durch Krisen? Der amerikanische Fernsehmoderator Fred Rogers hatte auf diese Frage eine schlüssige Antwort. Tom Hanks verkörpert ihn gerade in dem nostalgischen Film Der wunderbare Mr. Rogers, und als er und seine Frau selbst eine Covid-19-Infektion durchstanden, erinnerte er sich an den Rat, den der echte Fred Rogers einst von seiner Mutter bekommen hatte: »Always look for the helpers«. Also: »Schau auf die Leute, die helfen. Es gibt immer jemanden, der versucht zu helfen.« Der Spruch ist in Amerika zum geflügelten Wort geworden, gerade jetzt wieder. »Die Welt ist voller Ärzte und Krankenpfleger, Polizisten und Feuerwehrleuten, Freiwilligen, Nachbarn und Freunden, die bereit sind, einzuspringen, wenn etwas schiefläuft«, wusste Mr. Rogers.

In diesen Tagen finde ich besonders die vielen Geschichten über Menschen ermutigend, die Schutzmasken für ihre Nachbarn nähen, Sterneköche, die kostenlos für Krankenpfleger kochen (»Kochen für Helden«) oder Alltagshelden, die sich witzige Aktionen überlegen, um Spenden für Bedürftige zu sammeln: Wie der britische Veteran Tom Moore, der mit 100-Rollator-Runden vor seinem 100. Geburtstag 39 Millionen Pfund für die britische Gesundheitsversorgung sammelte, oder die US-Autorin Jen Pastiloff, die Promis und Nicht-Promis dazu auffordert, wilde Tanzvideos ins Netz zu stellen (»DorkitoutDanceChallenge«), um Gutscheine für Lebensmittel an Bedürftige zu schicken. 

Darüber hinaus gehen aber auch leicht die Geschichten verloren, die neben Corona ebenfalls wichtig sind und uns auch nach der Pandemie noch und wieder beschäftigen werden. Die amerikanischen Gesundheitsbehörden haben gerade wieder gewarnt, dass übermäßiger Medienkonsum schlecht für die Gesundheit ist. Sie empfehlen, Pausen einzulegen. Oder zumindest Pausen von den schlechten Nachrichten. Deshalb hier als Pausennahrung und als Schutzmaßnahme gegen Corona-Depression vier gute Nachrichten, die Sie mitten in der Coronakrise vielleicht übersehen haben.

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Die Ozeane können sich bis 2050 vollständig erholen

Die Nachricht ist wirklich untergegangen: Wir haben die Chance, die Weltmeere zu retten. Ein Team von führenden Meereswissenschaftlern von zehn Universitäten aus zehn Ländern hat eine wegweisende Studie vorgelegt, wie wir das hinkriegen.

Dass die Meere unter Überfischung, Erwärmung, Übersäuerung, Artensterben und Verschmutzung leiden, hat sich herumgesprochen. Warum also glauben die Meeresforscher, Grund zum Optimismus zu haben? »Wir sind an einem Scheidepunkt, wo wir uns entweder für widerstandsfähige und starke Meere entscheiden können oder für dauerhaft geschädigte Meere«, sagt Carlos Duarte von der saudi-arabischen King Abdullah Universität (KAUST), einer der führenden Autoren der Studie, die nun in Nature publiziert wurde. »Unsere Studie dokumentiert die Erholung von Spezies, Habitat und Ökosystemen, nachdem Schutzmaßnahmen ergriffen wurden.« Viele Maßnahmen funktionieren nämlich. Die Wissenschaftler haben sich genau angeschaut, was im Meeresschutz effektiv ist und beschreiben auf dieser Grundlage eine Art Fahrplan für die Erholung der Weltmeere in den nächsten 30 Jahren.

Dabei identifizieren sie neun Faktoren, die für das Leben unter Wasser entscheidend sind: Sümpfe, Mangroven, Seegräser, Korallen, Seetang, Austernriffe, Fischfang, Megafauna und die Tiefsee. Das Team benannte auch sechs »Erholungs-Keile«, also besonders wichtige Maßnahmen, und zwar Artenschutz, Habitatschutz und -Wiederherstellung, nachhaltiges Ernten, weniger Umweltverschmutzung und Fortschritte im Klimaschutz. »Wir haben das Wissen und die Fähigkeiten, um die lebenswichtigen Lebensräume unter Wasser wiederherzustellen und um unsere Meere sauber zu halten, unsere Küsten zu schützen und ganze Ökosysteme zu unterstützen«, resümiert Ko-Autor Callum Roberts von der University of York.

Das Zeitfenster dafür ist klein, die Sache ist dringend, und das Ganze hat einen Preis: Auf 10 bis 20 Milliarden Dollar pro Jahr schätzen die Forscher die Investitionen, die nötig sind, aber sie sagen auch: »Jeder investierte Dollar wird sich später zehnfach auszahlen.« Denn die Sümpfe und Seegräser speichern zum Beispiel Kohlendioxid, und die Mangroven fungieren als natürliche Barrieren gegen Überflutungen und Sturmschäden. Das Forscherteam verweist auf eine ganze Reihe von erfolgreichen Naturschutzprojekten, die zu »bemerkenswerten Erfolgsstories« geführt hätten, sagt die Biologin Catherine Lovelock von der australischen University of Queensland und nennt unter anderem Walfang-Moratorien, weniger Verschmutzung durch Schiffe und Maßnahmen gegen Überfischung.

Das Artensterben ist signifikant, aber gleichzeitig gibt es Lichtblicke: Der Anteil der Arten von Meeresbewohnern, die vom Aussterben bedroht sind, ist in den letzten 20 Jahren von 18 auf 11,4 Prozent gesunken. Ein spektakuläres Beispiel: die Buckelwale. Im 18. Jahrhundert war die Zahl der Wale von 27.000 auf nur 450 Tiere gesunken, und in manchen Regionen bleiben sie gefährdet. Aber die Schutzmaßnahmen und Jagdverbote ab Mitte der Sechzigerjahre waren erfolgreich: Inzwischen zählen Wissenschaftler wieder 25.000 Buckelwale im Südwestatlantik. Es gibt dort fast wieder so viele wie vor Beginn der Waljagden, die die Tiere beinahe ausgerottet hätten – genug, dass sich der Walbestand in der Region wohl dauerhaft erholen kann.

Den Tieren tut die Ruhe gut

Weil auch in Asien und Lateinamerika die Strände geschlossen sind, melden mehrere Länder Schildkröten-Rekorde. In Florida und Thailand wagen sich die Lederschildkröten an die Strände der Touristenhochburgen zurück. In Brasilien freut man sich über 97 Jungtiere der vom Aussterben bedrohten Echten Karettschildkröte. Allein in Ostindien schätzen die Meereswissenschaftler, dass Meeres-Schildkröten in diesem Frühjahr die Rekordzahl von 60 Millionen Eiern im Sand vor Odissa vergraben haben, weil sie sich wieder an die einst überfüllten Strände trauten. So ein Spektakel haben die Tierschützer seit vielen Jahren nicht mehr gesehen. Unter normalen Umständen hätte das Schauspiel Tausende von Touristen und Schaulustigen angelockt – die einen Gutteil der Nester dann gleich wieder zertrampelt hätten.

Die Luft ist plötzlich viel sauberer

Trotz aller Schwierigkeiten und Probleme hat der weltweite Lockdown auch unbestreitbare Vorteile: Die Luftqualität hat sich in vielen Städten stark verbessert. Von Beijing über Mailand bis Los Angeles melden Metropolen, die Luftverschmutzung sei so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Und das wiederum hilft unseren Lungen, eine Virusinfektion besser zu überstehen. Eine neue Studie des Centre for Research on Energy and Clean Air kommt zu dem Schluss, dass die gesündere Luft massive Auswirkungen auf unsere Gesundheit hat. Allein in Europa würden dadurch 11.000 Menschenleben gerettet werden, entwickelten 6000 Kinder weniger Asthma und würden 1900 Notarztbesuche vermieden. 

Anderswo sind die Effekte noch beeindruckender, vor allem in China und Indien. In Nordindien kann man zum Beispiel erstmals seit langem wieder den Himalaya aus Hunderten Kilometer Entfernung sehen, und die Bewohner der giftigsten Stadt der Welt, Delhi, posten begeistert Fotos, in denen Delhi einmal nicht vom Smog vernebelt ist. Natürlich wäre es fatal, die Corona-Pandemie schön zu reden. Sie hat inzwischen weltweit mehr als 220.000 Menschenleben gekostet. Aber gleichzeitig gibt uns der Stillstand eine Ahnung davon, wie die Welt aussehen könnte, wenn es gelänge, den Verbrauch fossiler Brennstoffe stark zu reduzieren.

Unterkünfte für Obdachlose – es geht ja doch

Plötzlich werden etliche Probleme gelöst, die bisher unlösbar schienen. Beispiel Obdachlosigkeit: Seit Jahren fordern viele, Obdachlose von der Straße zu holen, nach dem sogenannten Housing- First-Prinzip. Das Konzept Housing First hilft am meisten den Langzeitobdachlosen und dass es funktioniert, wurde oft bewiesen: ganz Finnland, Dänemark und mehrere Städte in Amerika, Holland und Österreich haben damit die Wohnungslosigkeit drastisch reduziert.

In Los Angeles kam man zur Erkenntnis, dass es wenig Sinn macht, die Bewohner zur Quarantäne in ihren Häusern zu verpflichten, aber gleichzeitig gut 60.000 Obdachlose auf der Straße zu lassen. Dass sie dort oder in den überfüllten Notunterkünften keine Chance haben, sich unter katastrophalen Hygiene-Zuständen regelmäßig die Hände zu waschen oder eineinhalb Meter Sicherheitsabstand zum Nächsten zu lassen, ist klar.

Es sind keine dauerhaften Unterkünfte, die geschaffen wurden, aber mindestens fünf Hotels in Los Angeles, von denen einige vor der Pandemie mehr als 300 Dollar pro Nacht verlangten, stellen nun ihre Räume für Obdachlose zur Verfügung; San Diego und San Francisco ziehen nach. Gouverneur Gavin Newsom hat Geld für 15.000 Hotelzimmer lockergemacht, damit die überfüllten Obdachlosenheime entlastet werde, die Wohnungslosen duschen und Abstand halten können. Den Vorzug bekommen Obdachlose mit Covid-Diagnose und besonders gefährdete Menschen.

Auch Hamburger Hotels lassen ab dieser Woche bis zu 250 obdachlose Menschen in ihren Zimmern wohnen. Sogar das Brüsseler Europa-Parlament wird seit letzter Woche wegen Corona zur Unterkunft für Obdachlose umfunktioniert. Das Parlament will zusammen mit der Brüsseler Obachlosenhilfe Samusocial 100 notleidende Frauen im Helmut-Kohl-Gebäude aufnehmen und außerdem jeden Tag 1000 Mahlzeiten an Bedürftige verteilen. »Die Institutionen haben in diesen schwierigen Zeiten die Pflicht, Solidarität zu zeigen und denjenigen zu helfen, die an unseren Standorten von sozialer Ausgrenzung bedroht sind«, sagt Parlamentspräsident David Sassoli.

Nicht nur in diesen schwierigen Zeiten.