Das Problem? Verhütung bleibt zu 80 Prozent an Frauen hängen.
Die Lösung: Ein Forscherteam aus Oregon ist bei der Entwicklung einer neuartigen Pille für den Mann einen großen Schritt weitergekommen.
Davon träumen Frauen seit Jahrzehnten: Dass es endlich die Männer sind, die die Pille nehmen. Oder dass Frau und Mann wenigstens gleichberechtigt Verantwortung übernehmen und sich bei der Verhütung abwechseln. Vielversprechende Ansätze gibt es schon lange; immer wieder hieß es, die Pille für den Mann komme bald, und immer wieder wurde dann doch nichts daraus.
Nun hat ein Forscherteam am Oregon National Primate Research Centre eine Studie veröffentlicht, die erstmals das Potenzial einer neuartigen Verhütungsmethode bestätigt.
Die Forscher von Eppin Pharma testeten das neue Medikament EP055 erfolgreich an Rhesusaffen. Vereinfacht ausgedrückt zerstört es ein Protein auf der Oberfläche der Spermien: »Das Medikament beeinträchtig die Fähigkeit der Spermien zu schwimmen und damit kommen sie nicht mehr ans Ziel«, erklärt Studienleiter Michael O’Rand. »Das macht EP055 zu einem idealen Kandidaten für die nicht-hormonelle männliche Verhütung.« Die Zeugungsfähigkeit der Affen in der neuen Oregon-Studie war nach 18 Tagen komplett wieder hergestellt. Nun geht es in die nächsten Testrunden. »Die Ergebnisse zeigen, dass es ein starkes Potenzial hat, als Verhütungsmittel für den Mann eine kurzfristige, reversible Alternative zu Kondomen und Sterilisation zu werden«, werben die Forscher für ihr Projekt.
Bisher gab es für Männer im Wesentlichen die Alternativen Kondom oder Sterilisation. An Versuchen, die Antibaby-Pille für den Mann zu entwerfen, mangelt es nicht, aber das Experiment von Oregon ist deshalb so vielversprechend, weil die meisten Experimente bisher den gesamten Hormonhaushalt attackierten. 2016 erzielten Forscher einen Durchbruch mit einer Verhütungsspritze, die die Spermien-Produktion verhinderte. Die ist zwar effektiv, führte aber teils zu schweren Nebenwirkungen wie Akne oder Stimmungsschwankungen, und bei fünf Prozent der Männer hatte sich die Samenproduktion auch ein Jahr nach der Spritze nicht wieder erholt. Ähnliche hormonelle Nebenwirkungen kennen zwar viele Frauen, die die Pille nehmen, aber der Weltgesundheitsorganisation waren die Risiken zu hoch, um die Erfindung weiterzuverfolgen.
Es stimmt schon, dass einige Experimente eher nach Folter klingen, und da sprechen wir noch nicht mal von den heißen Hodenbädern, die man im Mittelalter nahm und die durchaus die Spermienzahl verringern können; aber möchte Mann mit den Weicheiern dann noch Sex?
Ähnlich ungewöhnlich klingen manche Vorschläge aus der Gegenwart. Der Berliner Erfinder und gelernte Tischler Clemens Bimek hat sich Ventile in die Samenleiter setzen lassen, mit denen er den Nachschub an Spermien per Schalter kappen kann. Das Ding wiegt nur zwei Gramm, ist »nicht größer als ein Gummibärchen«, und hat den Vorteil, dass der Mann für seine Zeugungsfähigkeit nur einen Schalter umlegen muss. Bisher ist der Erfinder allerdings der einzige, der es trägt. Es müssen sich noch genügend Männer finden, die sich den Schalter zu Testzwecken einsetzen lassen, damit entsprechend überprüft werden kann, ob es zuverlässig funktioniert und keine Schmerzen, Narben oder Entzündungen zurücklässt.
Aber es gibt noch weitere zukunftsträchtige Ideen:
Auf der 100. Jahrestagung der amerikanischen Endocrine Society in Chicago haben Wissenschaftler der University of Washington in Seattle einen Wirkstoff aus synthetisch hergestellten Hormonen vorgestellt, den sie bereits erfolgreich an 100 Männern getestet haben: Demthandrolon-Undecanoat (DMAU) blockiert die Testosteron-Produktion in den Hoden und damit die Spermienproduktion. Außer einer geringen Gewichtszunahme und einer leichten Veränderung des Cholesterinspiegels stellte das Forscherteam keine Nebenwirkungen fest.
Andere Studien untersuchten Ouabain, eine Substanz, die der Körper in niedriger Dosis selbst produziert. Es stört den Natrium- und Kalziumhaushalt und heftet sich an ein Protein, das für die Fruchtbarkeit kritisch ist. Afrikanische Jäger nutzen es, um ihre Pfeile zu vergiften. In hohen Dosen verursacht es womöglich Herzschäden. Deshalb veränderten Forscher das natürliche Ouabain so, dass es weniger herzschädigend wirkt; die Zukunft des Mittels ist aber noch ungewiss.
JQ1, eigentlich als Hoffnung in der Krebsforschung gehandelt, blockiert ein Protein, das Männer zur Spermienproduktion brauchen und wurde unter anderem von Forschern des Baylor College of Medicine in Houston erfolgreich an Mäusen getestet.
In diesem Monat beginnen auch die klinischen Studien der gemeinnützigen Parsemus Stiftung für das Vasalgel, ein Kunststoffgel, das direkt im Samenleiter die Spermien so beschädigt, dass sie zu einer »Weiterfahrt« nicht mehr imstande sind. Aber vielen Männern gruselt es beim Gedanken an eine Spritze in ihren Penis.
Ebenfalls in diesem Jahr startet ein internationaler Versuch mit 420 Paaren in Amerika, Chile, Kenia und Europa, mit einem Hormongel, das sich Männer täglich auf die Oberarme reiben und das die Spermienproduktion signifikant einschränken soll. Das Gel enthält zwei synthetische Hormone, Testosteron und eine Form von Progestin. Das Progestin blockiert das in den Hoden produzierte, natürliche Testosteron und damit die Spermienproduktion, das synthetische Testosteron soll die Hormone im Gleichgewicht halten. Die Versuche werden mindestens vier Jahre dauern, aber bei 89 Prozent der Männer reduzierte das Gel die Spermienzahl signifikant, bei 78 Prozent ganz.
Das vielleicht tragischste am aktuellen Stand der Forschung ist, dass Bayer 2006 alle Versuche für ein ziemlich erfolgversprechendes Verhütungs-Implantat bei Männern eingestellt hat. Funktioniert hätte es wohl schon, aber das eindeutige Urteil der Männer lautet, der Aufwand sei »zu unbequem«. Da sagen Millionen Frauen mit ihren Spiralen, Hormonschwankungen und Krampfadern: Ihr glaubt nicht wirklich, dass unsere Methoden bequem sind, oder?
Wir Frauen haben einfach ein größeres Interesse daran, nicht ungeplant schwanger zu werden. Praktisch gesehen sagen 80 Prozent der Frauen, Verhütung bleibe an ihnen hängen. Ganz ehrlich: Wenn Männer es wirklich wollten, gäbe es längst praktische Verhütungsmittel für sie. Wo ein Wille ist, ist auch eine Pille.
Anmerkung: In einer früheren Version enthielt der Text eine missverständliche Formulierung zum Vasalgel sowie zur Spritze, die bei dessen Anwendung eingesetzt wird. Beides wurde geändert.