Clemens Graf von Hoyos ist Knigge- und Business-Etikette-Trainer und Vorstandsvorsitzender der Deutschen-Knigge-Gesellschaft:
»Grundsätzlich gilt heutzutage: Erlaubt ist, was gefällt. Traditionell sitzt der Ehrengast rechts vom Gastgeber auf der sogenannten Schutzposition, beziehungsweise links von der Gastgeberin, wenn es sich um einen männlichen Ehrengast handelt. Bei einer größeren Tischrunde, wie zum Beispiel dem Familienessen an Weihnachten, sollte man den Miesepeter in der Runde – also zum Beispiel den dauernörgelnden Onkel – am besten neben den unterhaltsamsten Gast setzen. Letzterer heißt auf Englisch auch social lubricant, soziales Gleitmittel, kann sich im Zweifel selbst unterhalten und bestenfalls auch die Stimmung des Sitzpartners heben. Für ein harmonisches Essen niemals zwei Miesepeter nebeneinander setzen, aber auch keine zwei ausgeprägten Kasperl, weil auch das anstrengend werden kann. Traditionell sitzen noch nicht verheiratete Paare nebeneinander, verheiratete Paare dagegen, die ja schon alles voneinander wissen, getrennt.
Das Organisieren der Sitzordnung für größere Gesellschaften ist eine komplizierte Kunst, insbesondere wenn es mehrere Tische gibt. Wer nicht möchte, dass die Gäste den ganzen Abend neben ein- und derselben Person sitzen, kann unter dem Namenskärtchen ein weiteres Tischkärtchen verstecken, diese im Laufe des abends lüften lassen und die Gäste bitten, sich entsprechend umzusetzen – zum Beispiel vor dem Dessert. Einfacher ist es, Fortuna die Sitzplatzwahl zu überlassen: Dafür einen Champagnerkübel mit jeweils zwei Süßigkeiten derselben Art füllen, zum Beispiel kleine Schokoladenriegelpaare derselben Farbe, und diese von den Gästen herausziehen lassen.«