Welches Schweinderl hätten’s denn gern?

Mehrere Sparschweine stehen in einer Praxis bereit, um mit Trinkgeld gefüttert zu werden. Eines davon ist allerdings deutlich größer als die anderen. Ist das gerecht?

Illustration: Serge Bloch

»Ich arbeite in einer Praxis für physikalische Therapie. In der Praxis hat jeder Mitarbeiter ein eigenes kleines Sparschwein mit Namen drauf. In der Mitte der Rezeption steht ein großes Schwein ohne Namen. Weil dieses Schwein auffälliger ist, geben viele Patienten in dieses Schwein ihr ›Dankeschön‹. Vom Inhalt dieses Schweins lädt unsere Chefin zur Weihnachtsfeier, zu der auch Patienten und Bekannte der Chefin eingeladen werden. Sie sagt, das große Schwein sei für sie und die Rezeptionistin. Müsste der Inhalt des großen Schweins nicht vielmehr unter allen Mitarbeitern aufgeteilt werden?« Anonym

Wenn der Inhalt des großen Schweins für alle sein sollte, würden aber zwei zusätzliche kleine Schweine fehlen, eines für die Chefin und eines für ihre Rezeptionistin, oder? Und woher wollen Sie eigentlich wissen, dass die Patienten vor allem deshalb das große Schwein befüllen, weil es groß ist? Vielleicht ist der unwiderstehliche Charme der Rezeptionistin ja der Grund. Oder der große Sachverstand der Chefin. Oder die Patienten sind so schlau, dass sie sich denken, ha, ein großes Schweinderl, das kommt sicher der Allgemeinheit zugute. Es hat ja auch etwas Erniedrigendes irgendwie, dem Mitarbeiter der jeweiligen Wahl gezielt 20-Cent-Stücke mittels eines Schweines zukommen zu lassen. Von der Geste her erinnert es, man kennt es aus Filmen, an angezogene Männer, die einer Stripperin gönnerhaft einen Schein unter deren bindfadengroßes Höschen stecken. Außerdem, hat Ihre Chefin nicht ohnehin die salomonische Entscheidung getroffen, die Gewinne, die ihr großes Schwein übers Jahr einfährt (um welche Summen mag es sich handeln, wie groß ist dieses Schwein?) der Gemeinschaft zugutekommen zu lassen? Also vorausgesetzt, man erkennt in einer Weihnachtsfeier etwas Gutes.

Man kann die ganze Sache doch auch so sehen, dass der Inhalt des Schweins bereits, wie von Ihnen gefordert, in Form eines Festes unter Ihnen allen aufgeteilt wird. Halt, oder sind Sie als Besitzer eines kleinen Schweins etwa nicht eingeladen? Ich versuche mich wirklich in Ihre Situation hineinzudenken, aber alles, was ich spüre, ist ein riesiger Widerwille, mir über Kleingeld, das Patienten freiwillig in ein Sparschwein stecken, große Gedanken zu machen. Hier mein Rat, damit Sie sich nicht länger ärgern: Steigen Sie aus der Schweinsache aus. Spenden Sie den Inhalt Ihres Schweins für eine wohltätige Sache. Schreiben Sie das drauf, dann kommt bestimmt einiges zusammen.