SZ-Magazin: Frau Karlsson, wie kamen Sie auf die Idee, Schuhe in Form von Krallen, Tatzen oder Fingern zu entwerfen?
Beate Karlsson: Ich habe immer schon gern mit Lehm experimentiert, weil du damit jede Form in 3D erzeugen kannst. Bei Kleidung ist das logischerweise schwieriger, also habe ich mit Schuhen angefangen und vor fünf Jahren ein Silikonmodell mit dicken, knubbeligen Zehen entworfen, die wie gigantische Babyfüße aussahen. So bin ich bei der Idee von Body Morphing gelandet, also wie man die Form von Körperteilen verändern und daraus Produkte machen kann.
Warum gerade Hände und Tierfüße?
Innovation im Design entsteht, wenn zwei Konzepte neu miteinander kombiniert werden oder man etwas komplett Neues erschafft. Ich glaube, wir Menschen mögen es aber, wenn wir etwas wiedererkennen. Wie die Hand, nur dass sie plötzlich am Fuß ist. Der Daumen wird zum Absatz, der Arm zum Schaft, vorne bleiben vier Finger übrig. Das fühlt sich bekannt, aber gleichzeitig ein bisschen seltsam an.
Die Sängerin Doja Cat moderierte die MTV Video Music Awards streckenweise in Ihren riesigen, orangefarbenen »Claw Boots«, die an Krallen eines Dinosauriers oder Riesenhuhns erinnern. Die Bilder verbreiteten sich schnell im Internet.
Das ist gewissermaßen die Urversion der Schuhe, die verkaufen wir nicht, weil sie jeweils fast zehn Kilo wiegen. Sie sind also nicht besonders gut tragbar, man kann nur ein paar Schritte darin machen. Die Finger- und Flossenschuhe, die ich für das Label Avavav entwerfe, sind gewissermaßen die kommerzielle Version davon.
Werden sie denn tatsächlich getragen? Oder fotografieren die Leute sich damit nur für Instagram?
Ich hoffe doch sehr, dass die Leute sie tragen und nicht nur wie Kunst ausstellen. Ich schätze, sie ziehen sie nicht jeden Tag an, weil sie ja doch sehr speziell sind, eher zum Ausgehen. Der Designer Rick Owens und ein anderer Künstler hatten kürzlich das gleiche Paar »Finger Feet« auf demselben Event in Paris an.
Die »Bloody Feet«-Stiefel kosten 900 Euro und sind im Onlineshop gerade ausverkauft. Glauben Sie, die Leute sehnen sich nach seltsamem Design, weil wir gerade in so seltsamen Zeiten leben?
Ich kann mir vorstellen, dass die Faszination auch mit unserer Körperkultur zu tun hat. Manche erinnern die Schuhe an deformierte Körperteile, und das verstört sie. Ich will natürlich, dass meine Designs Reaktionen auslösen. Es wäre ja ziemlich langweilig, wenn die Leute gar nichts dazu sagen würden. Manche hassen sie, andere lieben sie, weil sie sich damit sehr speziell fühlen. Vielleicht entdecken die Träger auch das Kind in sich wieder. In jedem Fall macht es Spaß, ein bisschen Sarkasmus und Satire in die Modewelt zu bringen.
Das ist Ihnen vor eineinhalb Jahren schon einmal gelungen: Mit zwei befreundeten Künstlern entwarfen Sie »The Bum« – eine exakte Nachbildung des Hinterns von Kim Kardashian aus Silikon zum Reinschlüpfen.
Es dauerte allerdings mindestens zehn Minuten, bis man das Ding anhatte, weil Kim Kardashian von der Statur her wirklich winzig ist. Das war definitiv mehr Kunstprojekt als Mode. Wir fragten uns, wie es wäre, wenn es diesen Hintern, über den so viel geredet wurde, für andere zu kaufen gäbe.
Kim Kardashian selbst – und andere Frauen nach ihr – haben viel Geld ausgegeben, um so ein Hinterteil zu kriegen. Wie hat sie auf »The Bum« reagiert?
Wir waren gespannt, ob sie es kommentieren würde. Denn wir hatten wahnsinnig viel Aufmerksamkeit, mehr, als wir gedacht hätten. Aber das war im Februar, dann kam Covid. Irgendwann schicken wir ihr noch einen »Bum«. Es ist ja schließlich ihrer.
Fotoassistent: François Briens; Stylingassistentin: Kira März; Haare: Yuji Okuda @artlistparis; Make-up: Clara Giaccari; Casting: Lisa Müller for Julialangecasting; Models: Aminta Nofori/Casting Firenze, Olga Sofia Lecci, Yana Abu El Assal, Giunka Gambone und Noemi Basili.