Was würde passieren, wenn Sie allein mit Putin in einem Raum wären?

Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk im Interview ohne Worte über die Musik von Tschaikowsky, die deutsche Mentalität und darüber, wie oft er in den letzten Wochen geweint hat.

Geboren: 7. September 1975 in Lwiw (damals Sowjetunion)
Beruf: Jurist, Politiker, Diplomat (seit 2015 ukrainischer Botschafter in Berlin)
Ausbildung: Jurastudium in Lwiw 
Status: Undiplomatisch

Es gibt Menschen, die arbeiten jahrelang vor sich hin, ohne der breiten Masse aufzufallen, und dann passiert etwas, womit keiner gerechnet hat, etwa eine Pandemie oder ein Krieg, und auf einmal kennt sie jeder: Christian Drosten ist so einer, und Andrij Melnyk, der ukrainische Botschafter, auch. Seit Wochen wird er nicht müde, die Ampel-Regierung für ihre Zögerlichkeit zu kritisieren. Liefert sie keine Waffen, fordert er Waffen. Liefert sie Waffen, fordert er bessere Waffen. Überweist sie Geld zur Aufrüstung, fordert er mehr Geld. Hat jemand Angst vor einem 3. Weltkrieg, sagt er, der habe längst begonnen. Er findet: »Olaf Scholz macht es wie Angela Merkel. Erst mal abwarten, zuschauen und irgendwann später entscheiden oder auch nicht.« Was fehle, seien Mut und Fantasie. Melnyk, der sich »Soldat an der diplomatischen Front« nennt, nimmt in Kauf, dass viele ihn anmaßend oder sogar fragwürdig finden, weil er ein ultrarechtes Freiwilligenbataillon in Schutz nimmt oder den deutschen Kanzler mal eben eine »beleidigte Leberwurst« nennt. Auf der anderen Seite: Der Mann befindet sich im Krieg. Im Moment beherbergt er seine geflohene Schwiegermutter, eine Schwägerin, drei Nichten und einen Beagle. Seine 77-jährige Mutter ist in Lwiw geblieben. Sie sagt: »Ich sterbe lieber zu Hause, als zu fliehen.«