Ich war vor kurzem mal wieder in der Oper. Die Aufführung war nett, aber das Publikum fand ich noch spannender. Was die Menschen unter schicker Kleidung verstehen. Wie die Menschen schauen, wenn auf der Bühne etwas Ergreifendes passiert. Und: Wer da mit wem hingeht. Als die Flügeltüren nach der Vorstellung aufgingen, sah ich nämlich mal wieder ein Beziehungsmuster, das mich ständig umgibt: junge Frauen, die sich bei deutlich älteren Männern eingehakt haben.
Ich muss gleich vorweg sagen: Ich finde das nicht verwerflich. Wo die Liebe eben hinfällt. Ich verstehe, dass ältere Männer eine Reife ausstrahlen können, die eine Sogwirkung hat. Natürlich gibt es auch alte Blender, die mit ihren Statussymbolen imponieren wollen und genauso fürchterlich sind wie in jungen Jahren. Aber wenn Menschen auf eine gute Weise alt werden, werden sie auch zu besseren Partnern. Sie haben genug erlebt, um sich von Kleinigkeiten nicht mehr aus der Ruhe bringen zu lassen. Sie müssen sich nicht mehr beweisen, indem sie aus dem einen Philosophiebuch zitieren, das sie vor kurzem im Studium gelesen haben. Dieser Drang, diese Unruhe – vorbei.
Was mich aber rasend wütend macht, ist die gesellschaftliche Ungleichheit. Wie oft sieht man bitte junge Männer mit alten Frauen Arm in Arm aus der Oper schlendern? Eben. Ich will gleiches Recht für alle.
Alles, was ältere Männer so begehrenswert macht – Lebensweisheit, Reife, innere Ruhe – haben ältere Frauen ja genauso. Dass es nur auf eine Weise zu Beziehungen mit großem Altersunterschied kommt, muss also allein an Rollenbildern und Schönheitsidealen liegen.
Wie kann es sein, dass graue Strähnen bei Männern anziehend wirken und bei Frauen ein Grund sind, nachzufragen, ob man nicht mal zum Frisör gehen möchte? Es ist so ungerecht. Die Gesellschaft verhält sich so, als klebte auf der Stirn von Frauen ein Haltbarkeitsdatum. Und das ist recht schnell überschritten. Fürchterlich ist das.
Wenn es mal eine Ausnahme von der Regel gibt, zeigen die Reaktionen erst recht, wie zementiert die Vorstellungen von Anziehungskraft sind. Ich habe mich über die Schlagzeilen über Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte so geärgert. Diese Frau hat in ihrem kleinen Finger mehr Stil als sich die meisten Frauen in einer Lebenszeit antrainieren können. Aber diese wundervolle, charismatische, kluge Frau wurde begutachtet wie auf dem Viehmarkt. Mit großem Unverständnis, warum sich denn jemand wie der junge Macron eine ältere Frau ausgesucht hat, aber mei, gut gealtert ist sie ja schon.
Ich würde mir wünschen, dass sich ein paar meiner Freundinnen jüngere Partner suchen und dann händchenhaltend durch die Fußgängerzonen laufen. Je häufiger man zeigt, wie unbeschränkt und frei und bunt Liebe sein kann, desto besser. Auch weil es die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass irgendwann in ferner, ferner Zukunft diese verkrusteten Vorstellungen keine Rolle mehr spielen.
Aber egal, wie toll ich es fände, insgesamt mehr Paare mit Altersunterschied zu sehen: Ich suche mir lieber einen Mann in meinem Alter. Mein eigenes Liebesideal ist nämlich, mich nicht verstellen zu müssen. In der griechischen Mythologie gibt es ein Paar namens Philemon und Baucis, die meinem Ideal entsprechen. Sie lieben sich und wollen unbedingt zusammen alt werden. Recht haben sie. Es ist doch viel entspannter.
Ich will einen Mann, bei dem die Haut genauso baumelt, der morgens auch ein Ziehen im Knie spürt und der die Zeitung ebenfalls nur mit der Lupe lesen kann. Weil es herrlich ist, so etwas gemeinsam durchzustehen und darüber lachen zu können. Außerdem muss man praktisch denken: Wenn zwei Menschen mit Lupen, Tablettendöschen und hellen Leselampen zusammenziehen, gibt es mehr altersgerechte Haushaltsgegenstände für alle.