Justin Bieber hat nicht nur vielleicht heimlich am Wochenende seine Freundin Hailey geheiratet (Schauspieler Alec Baldwin, der Bruder seines potentiellen Schwiegervaters, scheint dies gerade bei den Emmys bestätigt zu haben), er hat auch einen neuen Look: Schnauzer, sonnengebleichtes Surfer-Haar, Skate-Sneakers und, besonders essentiell, Hawaiihemd.
Die Web-Meinungen rangieren irgendwo zwischen »70er-Jahre-Pornostar« und »Sieht aus, als würde er für Pablo Escobar Drogen ausliefern«. Und auch, wenn diese Assoziationen nicht gerade nach »verantwortungsvoller, frischer Ehemann« zu schreien scheinen, so wohnt dem Ganzen doch eine gewisse Emanzipation inne. Hat Justin Bieber nun ausgerechnet mithilfe des Hawaiihemds, also jenes jahrzehntelang als Kostümierung für unkreative Karnevals- und Bad-Taste-Party-Besucher firmierenden Kleidungsstücks, sein Image vom ewigen Teenie-Popstar zum verwegenen Bad Boy transformiert?
Möglich. Das Hawaiihemd hat nämlich schon ganz anderes geschafft, wie ein Blick auf die Geschichte verrät. Seine Geburtsstunde hatte es in den 1920er/-30er-Jahren, als hawaiianische Schneider, oft mit chinesischem oder japanischen Migrationshintergrund, begannen, die eigentlich schlichten Palaka-Hemden aus bunt bedruckten Stoffen (zum Teil etwa Kimonoseide) zu fertigen und diese an die damals aufkeimende Klientel amerikanischer (Surf-)Touristen zu verkaufen. Im Jahr 1935 erschien in der Zeitung Honolulu Advertiser erstmals eine Anzeige, in der die Schneiderei Musa Shiya ihre »Aloha Shirts« bewarb – der englische Name des sommerlichen Freizeithemds mit Reverskragen, geradem Saum und buntem Print war geboren. Während des Zweiten Weltkriegs tauschten dann auf Hawaii stationierte amerikanischen Soldaten, wenn sie Ausgang hatten, ihre Uniform gegen Hawaiihemden und popularisierten sie später in der Heimat. Aloha-Hemden wären nicht länger nur beliebte Urlaubsmitbringsel, sondern ein Symbol für Sehnsucht, Freiheit – und Freizeit. Sogar den »Casual Friday« hat die Welt dem Hawaiihemd zu verdanken – er soll auf dem »Aloha Friday«, beziehungsweise ursprünglich »Aloha Wednesday« beruhen, der es Beschäftigten auf Hawaii schon in den späten 40er-Jahren erlaubte, einen Tag in der Woche im Hawaiihemd ins Büro zu kommen.
1951 war US-Präsident Harry Truman auf dem Cover des Life-Magazins im Hawaiishirt zu sehen, 1960 ließ sich auch Präsident Nixon in einem fotografieren – ein Jahr, nachdem die USA die Inselkette als 50. Bundestaat aufgenommen hatte und ein weiteres, bevor Elvis Presley auf dem Cover zu »Blue Hawaii« in rotem Hawaii-Shirt in die Musikgeschichte einging.
In den folgenden Jahrzehnten begann das Ansehen des Hawaiihemds in der Öffentlichkeit zu schwinden – doch im Film lebte es fort. Mit Tom Selleck in Magnum, Al Pacino in Scarface, Brad Pitt in Fight Club, Leonardo DiCaprio in Romeo + Julia, oder Johnny Depp in Fear and Loathing in Las Vegas.
Bei diesem Schwergewicht an historischem Erbe muss man sich eigentlich fragen, warum das Aloha-Hemd von der Modewelt überhaupt so lange verschmäht wurde – einzig und allein Jürgen von der Lippe hielt es hierzulande hoch.
Doch diese Zeiten sind vorbei – die Designer haben das Hawaiihemd endlich wiederentdeckt. Derzeit gibt es etwa eigene Varianten von Balenciaga, Prada, Valentino der Louis Vuitton, die von sowohl männlichen als auch weiblichen Stars und Stilikonen rauf- und runtergetragen werden. Ein Zeichen von Freiheitsdrang und Fernweh? Egal, für ein bisschen Verwegenheit zum Überstreifen reicht’s – auch bei Justin Bieber.
Wird getragen von: Jürgen von der Lippe, Elvis, Magnum
Wird getragen mit: Ukulele, Billabong-Boardshorts, Fernweh, Großpackung »Kleiner Feigling«
Songs dazu: »Aloha heja he« und »Es gibt kein Bier auf Hawaii«