Man kann nicht behaupten, dass Mut bei der Kleiderwahl bei den Windsors nicht in der Familie liegt. Der Stil der Mutter, Prinzessin Diana, ist auch 24 Jahre nach deren tragischem Tod einer der meistzitierten, Vater Charles hat erst im vergangenen Jahr eine nachhaltige Bekleidungslinie lanciert, und die farbenfrohen Kostüm-Hut-Ensembles seiner Großmutter, Queen Elizabeth II, sind legendär. Und doch begehrte Prinz William modisch bislang ähnlich auf wie die Junge Union. Dunkle Anzüge mit weißem Hemd bei offiziellen Anlässen, in der Freizeit glatte Chino-Hemd-Strickpulli-Kombinationen, mit denen man in jedem Golfclub beim Verstecken gewinnen würde.
Umso mehr sorgte sein Auftritt am vergangenen Sonntag für Erstaunen: Zur Verleihung des erstmals vergebenen Earthshot Prize für herausragendes Umweltengagement erschien Schirmherr Prinz William in einem dunkelgrünen Samtsakko, kombiniert mit einem Look ganz in Schwarz, bestehend aus Hose, Rollkragenpulli und Lackschuhen, der jeden Galeristen neidisch gemacht hätte. »Einer der einzigen Momente, in denen Prinz William Kate style-mäßig überboten hat« oder »Meine neues Lieblingsding ist Prinz William in Samt«, schrieben Nutzerinnen daraufhin auf Twitter, die britische Boulevard-Presse verglich den Prinzen gar mit James Bond. Ganz fern lag diese Referenz nicht, immerhin trug auch Bond-Star Daniel Craig nur wenige Tage vorher zur Londoner No Time to Die-Premiere Samtsakko.
Was steckt also hinter der Styling-Transformation des zukünftigen Thronfolgers? Erst einmal: Dem Anlass entsprechend das textile Bekenntnis zu mehr Nachhaltigkeit. Bei Williams Outfit handelt es sich größtenteils um ältere Stücke aus der Garderobe des Prinzen: Während seine Hose bereits 20 Jahre alt sein soll, trug er den grünen Samtblazer erstmals 2019 bei der Jubiläumsgala einer Wohltätigkeitsorganisation – damals allerdings noch klassisch brav, kombiniert mit weißem Hemd und Fliege. Auch Herzogin Kate trug ihr fliederfarbenes Kleid von Alexander McQueen schon bei den Bafta Awards vor zehn Jahren.
»Das britische Königshaus hat vor Kurzem seinen zeitgeistigsten Teil verloren«
Das sogenannte Recycling oder Upcycling alter Kleidungsstücke für offizielle Anlässe steht bei Prominenten seit einiger Zeit hoch im Kurs – auch wenn das Wort »Upcycling« hier ein großes ist: Viele lassen sich schon dafür feiern, dass sie ein Teil einfach ein zweites Mal tragen – was in Anbetracht vier- bis fünfstelliger Kleiderpreise schlichtweg Normalität sein sollte. Herzogin Catherine ist für ihr Mehrfach-Tragen bekannt, selbst das Kleid, das sie 2018 zur Hochzeit ihres Schwagers Prinz Harry trug, war vorher schon zweimal bei anderen Anlässen im Einsatz. Emma Watson trug am Sonntag zum Earthshot Prize ein von Harris Reed geschneidertes Outfit aus zehn einstigen Brautkleidern von Oxfam und Angelina Jolie steckte am Montagabend bei der Filmpremiere von Eternals ihre Töchter in ehemals von ihr selbst getragene Rote-Teppich-Klamotten (sie selbst entschied sich dann aber doch für neues Balmain).
Doch wir beobachten noch eine weitere Entwicklung: Das britische Königshaus hat vor Kurzem seinen zeitgeistigsten Teil verloren. Prinz Harry war immer der rebellische, aber auch der lässigere Prinz.
Der, der eine Hollywood-Schauspielerin heiratete, Prominente wie die Beckhams, die Obamas oder Jay-Z und Beyoncé zu seinem Freundeskreis zählt, zusammen mit Meghan Markle seine offiziellen royalen Pflichten abtrat und in einem aufsehenerregenden Interview bei Oprah Winfrey über die Gründe dahinter sprach und mittlerweile in Kalifornien lebt.
Die Cambridges dagegen? Brav, traditionell, pflichtbewusst. Ob sie jetzt an ihrem Auftreten arbeiten, um die Lücke an Filmstar-Glamour zu schließen, die die Sussexes hinterlassen? Dafür spricht neben Prinz Williams jüngstem Samt-Rollkragen-Outfit auch Kate Middletons Auftritt bei der Bond-Premiere mit funkelndem Pailletten-Kleid und ungewohnt hollywoodeskem Make-up inklusive betonten Brauen und Bronzer. Wir warten gespannt auf das künftige royale Styling. Ein bisschen mehr Swag würde jedenfalls keinem Königshaus schaden.
Wird getragen von: Models im Weihnachtsbeileger von P&C, Markus Lanz, Harry Styles, Daniel Craig
Wird getragen mit: Rollkragen, flotten Schuhen, Fusselbürste
Nicht verwechseln mit: Thomas Gottschalk