Das wohl beliebteste Touri-Mitbringsel New Yorks ist das »I LOVE NY«-T-Shirt mit rotem Herz. Der Grafikdesigner Milton Glaser soll dessen Logo 1976 im Taxi sitzend auf ein Stück Papier gekritzelt haben, es wurde anschließend zahllose Male kopiert und abgeändert, nach den Terroranschlägen des 11. Septembers erweiterte Glaser es selbst in ein »I LOVE NY MORE THAN EVER« mit kleinem schwarzen Fleck auf dem roten Herz.
Jetzt, da New York vom Coronavirus gebeutelt und ein Großteil des so typisch geschäftigen Lebens in der Stadt, die eigentlich niemals schläft, ausgeschaltet ist, hat Nicolas Heller aka @NewYorkNico zusammen mit der New Yorker Boutique Alumni einen Wettbewerb um das beste New-York-T-Shirt ausgerufen.
Hunderte großartige T-Shirt-Prints wurden daraufhin eingereicht (etwa »Keep New York Old«, kreiert von der Stylistin Haley Wollens und aufmerksamkeitswirksam unterstützt von der Schauspielerin Chloë Sevigny). Aus den 16 besten davon wählte am 1. Mai eine lokale und hochkarätige Jury um die Opening-Ceremony-Gründer Carol Lim und Humberto Leon, den Celebrity-Stylisten Mel Ottenberg und den Modedesigner Heron Preston drei Gewinner, deren Designs gedruckt, und bei Alumni für einen guten Zweck verkauft werden.
Die Entwürfe sprühen vor feinsinnigem Lokal-Humor, der Liebe für eine Stadt und einer »Jetzt erst recht«-Attitüde – ähnlich wie all die Fan-Shirts, die gerade auch hierzulande von vielen GastronomInnen oder ClubbetreiberInnen verkauft und von deren StammkundInnen stolz getragen werden. Wenn man schon nicht zum Lieblingsitaliener oder in die Stammkneipe kann, dann kann man diese doch wenigstens über den T-Shirt-Kauf unterstützen und somit ganz plakativ auf der Brust seine Unterstützung ausdrücken.
Ja, Kleider machen Leute, und das gilt für bedruckte T-Shirts besonders – nicht erst seit der Corona-Krise. Das vergleichsweise günstige Kleidungsstück ist ein patenter Weg ist, um seinen Mitmenschen etwas mitzuteilen – egal, ob diese daran interessiert sind oder nicht. Das macht sich die (Mode-)Welt schon lange zunutze.
Eines der ersten bedruckten T-Shirts dürfte ein mit »Oz«-Schriftzug versehenes Shirt aus dem Jahr 1939 sein. Zehn Jahre später nutzte der republikanische Präsidentschaftskandidat Thomas E. Dewey Slogan-T-Shirts (»Dew it with Dewey«) in seinem Wahlkampf gegen Harry S. Truman. Nachdem in Kalifornien 1955 das Disneyland eröffnete, erhielt die Firma Tropix Togs die Exklusivrechte zum Druck von Shirts mit Disney-Motiven – das kommerzielle Grafikshirt war damit offiziell geboren.
In einer Zeit, in der es so viel ums Distanzieren geht – auch über Kleidungstücke wie Masken und Schutzhandschuhe – ist das bedruckte T-Shirt ein schöner Weg, um das Gegenteil von Distanz zu schaffen.
Für viel Aufsehen sorgten in den 80ern die Slogan-Shirts von Katherine Hamnett – als sie 1984 bei einem Empfang für britische ModedesigerInnen der damaligen Premierministerin Margaret Thatcher im Protest-Shirt gegen Atomraketen mit dem großen Aufdruck »58% Don’t Want Pershing« (dt. »58% sind gegen Pershingraketen«) gegenübertrat, schrieb sie Modegeschichte. Neben politischen Botschaften lässt sich über ein Print-Shirt besonders gut die Lieblingspunkband oder der letzte Festivalbesuch mitteilen, aber auch allerhand Fragwürdiges: Wir erinnern uns an torkelnde Ballermannbesucher (»Bier formte diesen wunderschönen Körper«), haufenweise »Zicke«- oder »Miststück«-Shirts, die Anfang der 2000er von weiblichen Teenies ausgeführt wurden oder Mario Barth auf seinem aktuellen Buchcover (»Happy Wife Happy Life«).
In der Corona-Krise bekommt das Statement-Shirt eine neue Relevanz: In einer Zeit, in der es so viel ums Distanzieren geht – auch über Kleidungstücke wie Masken und Schutzhandschuhe – ist das bedruckte T-Shirt ein schöner Weg, um das Gegenteil von Distanz zu schaffen. Ein simpler Schriftzug zeugt von der gemeinsamen Liebe für einen Ort, sagt »Wir stecken hier alle zusammen drin« und kommuniziert so ein Gefühl von Gemeinschaftlichkeit und Nähe. Und das auch auf Abstand.
Wird getragen von: LokalpatriotInnen, Metal-Fans, begeisterten BesucherInnen von Bierkönig bis Wacken, JunggesellInnenabschieds-TeilnehmerInnen, AbiturientInnen
Wird getragen mit: Stolz
Tragehinweis: Vorher gut durchlesen