Was ich meinen Kindern vererben möchte

Wenn sich die Nachfahren um das Erbe streiten, kann das ganze Familien auseinanderreißen. Unsere Senioren-Kolumnistin hat deswegen Vorkehrungen getroffen.

Illustration: Nishant Choksi

Mein Großvater hatte ein Uhrengeschäft. Als er starb, war ich noch eine junge Frau. Ich kann mich kaum an seine Beerdigung erinnern, dafür aber umso besser an eine andere Szene. Einige meiner Verwandten versammelten sich in der Wohnung.  Und dann gingen sie Stück für Stück den ganzen Besitz durch. Wer bekommt diese Taschenuhr? Wer diese Halskette?

Es war kein teurer Schmuck, den mein Großvater verkauft hatte. Aber alle feilschten, mit einer Gier und einem Neid, als ob es darum ginge, wer seiner Familie am Ende des Monats noch etwas zu Essen auf den Tisch stellen kann. Ich wartete etwas abseits am Fenster und war fassungslos.

Erbe kann das Schlimmste im Menschen hervorrufen. Ich habe in meiner Stadt schon von Geschwistern gehört, die nicht mehr miteinander sprechen, weil sie sich ungerecht behandelt fühlen. Oder die sogar vor Gericht stehen, weil sie sich nicht einigen können, wie das Haus ihrer Eltern verkauft und aufgeteilt werden soll. Das ist doch fürchterlich! Die Vorstellung, dass man mit seinem Tod die Familie zerstört und die eigenen Kinder plötzlich Stielaugen bekommen.

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Ich verstehe die Anspruchshaltung dahinter nicht. Wieso denken manche, dass sie ein Recht darauf haben, viel Geld von ihren Eltern zu erben? In eine Familie hineingeboren zu werden, ist doch keine Leistung, die man sich bezahlen lassen kann.

Mein Vater hat das so gesehen. Er hat als Chef eines Krankenhauses sehr gut verdient, meinen Geschwistern und mir aber immer gesagt: »Glaubt ja nicht, dass ich euch etwas übrig lasse.« Ich habe ihn verstanden. Er war im Krieg, er hatte Hunger auf das Leben. (Ein bisschen was blieb dann übrigens trotzdem übrig, danke für die nette Überraschung, Vater.)

Ich hingegen versuche, mein Erspartes nicht zu sehr anzugreifen. Denn ich finde den Gedanken, meinen Kindern etwas Geld zu vererben und ihnen damit ein Stückchen Sicherheit zu schenken, schön. Aber nur, weil sie es nicht als Selbstverständlichkeit ansehen und mich sogar ermuntern, mein Geld selbst noch zu verprassen.

Zu stark möchte ich mich auch nicht zurückhalten. Das habe ich in meinem Leben nämlich die meisten Jahre machen müssen. Das Geld war fast immer knapp. Als mein Mann und ich heirateten, verdiente er 600 Mark, davon mussten wir die Miete für unsere kleine Wohnung in München-Haidhausen, das Auto und die ganzen Anschaffungen für unsere kleine Tochter stemmen. Später verdiente mein Mann zwar mehr, aber wir hatten ein Haus gebaut und deswegen hohe Schulden.

Ich habe in meinem Leben also schon viele Schwarzwurzeln gekocht und gegessen. Darauf habe ich im Alter wirklich keine Lust mehr. Her mit den frischen Artischocken vom Markt.

Was vom Geld übrig bleibt, können sich meine Kinder schon aufteilen. Ich habe das zu Lebzeiten getestet. Bei jedem Umzug durften sie sich Möbel von mir aussuchen, ganz diskret. Ich gab ihnen kleine Klebepunkte in verschiedenen Farben. Damit sollten sie durch meine Wohnung gehen und die Sticker auf die Sideboards, Sessel und Schränke kleben, die sie gerne haben möchten. Wollten zwei meiner Kinder das gleiche Möbelstück, sollten sie das unter sich ausmachen.

Einen größeren Gegensatz zu der Szene im Uhrengeschäft kann ich mir nicht vorstellen. Meine Kinder gönnen sich gegenseitig so viel. Eine schöne Seite am Alter ist übrigens, bei seinen erwachsenen Kindern immer wieder zu spüren, dass man bei der Erziehung einiges richtig gemacht hat.

Aber mit einer guten Sache kann ich sie noch überraschen, wenn ich mal sterbe. Sie wissen nicht, dass ich Grundbesitzerin in Schwaben bin.  Mein Großvater hatte neben dem Uhrenladen nämlich auch ein winziges Gartengrundstück. Mein Vater erbte ein Viertel davon, ich dann ein Zwölftel und meinen Kindern wird jeweils ein Sechsunddreißigstel gehören. Vielleicht landen im Herbst ja ein paar Äpfel auf genau diesen Quadratmetern.