Ein großes Jahr für die Mode

2019 designte Rihanna Unterwäsche für alle Körperformen, die US-Fußballnationalmannschaft der Frauen mischte den roten Teppich auf und zwei Männer wurden zu Ikonen: In Teil 1 unseres Jahresrückblicks erinnert sich unsere Stilkritikerin an modische Fortschritte.

Fordern, dass Diversität endlich Normalität wird: Megan Rapinoe und die US-Fußballnationalmannschaft.

Foto: Getty

Botschafterinnen des Jahres: Die US-Fußballnationalmannschaft der Frauen

Die Einschaltrekorde für die FIFA-Frauen-Weltmeisterschaft 2019 in Frankreich können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Frauenfußball noch immer nicht so ernst genommen wird wie sein männliches Pendant. Immerhin gab es textile Fortschritte: Von Nike wurden Teams für die WM erstmals mit eigenen, an Frauenkörper angepassten Trikots ausgestattet (und nicht nur mit der »kleineren« Version der Männervariante). Und dann war da noch die US-Nationalmannschaft, die auf ausnahmslos jeder Bühne mit guten Stil glänzte.

Am Weltfrauentag verklagte das Team seinen Verband aufgrund der Verdienstunterschiede zu den männlichen Kollegen wegen Diskriminierung, Star-Spielerin Megan Rapinoe lieferte sich einen öffentlichen Schlagabtausch mit Donald Trump und rief nach dem Gewinn des WM-Titels in einer mitreißenden Rede zu mehr Nächstenliebe und Akzeptanz von Diversität auf. Dass Individualität in ihren eigenen Reihen schon angekommen ist, zeigte sich unter anderem bei den ESPY Awards im Juli, wo das US-Team den wohl lässigsten Red-Carpet-Auftritt einer Sportmannschaft aller Zeiten lieferte. Die Spielerinnen erschienen in einem so kunterbunten wie glamourösen Mix aus funkelnden Abendroben, lässigen Anzügen, High-Heels und Turnschuhen, kurzen Shorts und bodenlangen Röcken, der mehr (es lässt sich nicht anders ausdrücken) »Swag« nicht hätte haben können. Ihr individueller Style brachte Rapinoe mit ihrer Freundin, NBA-Spielerin Sue Bird übrigens auch auf das Oktobercover der amerikanischen Instyle. Da ist es nur konsequent, dass vier der Fußballerinnen (Megan Rapinoe, Tobin Heath, Meghan Klingenberg, and Christen Press) mit Re-Inc jetzt auch ihr eigenes Mode- und Lifestyle-Label führen.

Meistgelesen diese Woche:

Wird getragen von: GewinnerInnen, den Spice Girls
Wird getragen mit: Sonnenbrille, Stollenschuhen in Neonfarben, belastbarer Oberschenkelmuskulatur
Der Song dazu: Queen, »We are the Champions«

Ikonen des Jahres: Billy Porter und Timothée Chalamet

Anzüge kombiniert man 2019 mit Rock (Billy Porter) oder Lätzchen (Timothée Chalamet).

Fotos: Getty

2019 war das Jahr, in dem ein paar herausragende Typen bewiesen, dass Männer in den »Best dressed«-Bildergalerien der glamourösen Events im Film-, Musik- und Modekalender durchaus mehr sein können, als ein (farblich) beruhigendes Beiwerk. Mit mutiger, spielerischer und humorvoller Red-Carpet-Mode sorgten vor allem diese zwei für bleibende Eindrücke: Die Schauspieler Billy Porter und Timothée Chalamet. »Pose«-Darsteller Porter hat keine Angst vor Röcken, Tüll, Glitzer oder wahnwitzigen Prints und trug unter anderem ein weit ausgestelltes Smoking-Kleid aus Samt (bei den Oscars), eine Kombi aus transparentem Hemd, Anzug und bodenlangem Satin-Cape, über und über mit Blütenverzierungen bestickt (Golden Globes). Bei der Met Gala trat er auf als ägyptische Gottheit im goldenen Body mit weit ausgestreckten Flügeln.

Etwas weniger performativ und doch kein Stückchen weniger anbetungswürdig zeigte sich Timothée Chalamet (bekannt geworden durch »Call me by your name«). Seine kontinuierlich herausragenden Outfits vom roten Teppich entspringen vor allem seiner sehr fruchtbaren Freundschaft zu Modedesigner Haider Ackermann und seinem Faible für ausgefallene Anzüge – besonders während seiner Premieren-Tour für das Historien-Drama »The King« sorgte Chalamet im Spätsommer für täglich neues Entzücken in seiner Fangemeinde. Zu unseren persönlichen Highlights gehören das funkelnde Louis-Vuitton-Lätzchen bei den Golden Globes, ein farbbespritzten Overall von Künstler Sterling Ruby, den er beim Busan International Film Festival in South Korea trug, ein silbern-schimmernden Anzug mit Taillengürtel und ein Wasserfall-Oberteil von Haider Ackerman bei den Filmfestspielen von Venedig sowie eine fuchsiafarbenen Anzug-Hemd-Kombi von Stella McCartney, die er kürzlich gepaart mit einem Eiffelturm-Schlüsselanhänger als Accessoire in Paris ausführte. Award Season 2020, wir können dich kaum erwarten.

Wird auch getragen von: Ezra Miller, Elton John
Wird getragen mit: Haltung, Absätzen, Humor, modernem Geschlechterverstädnis
Nicht zu verwechseln mit: Business Attire, Baukasten-Anzug

Farbe des Jahres: Pink

Gaga in Pink.

Foto: Getty Images

Die Begeisterung der Modewelt für große Roben aus der Farbfamilie Pink ist nicht ganz neu, erreichte 2019 jedoch bisher ungesehene Höhen. Schon bei den Oscars dominierte das rosarote Spektrum den roten Teppich: Von Helen Mirren in einer zarten Tüllrobe von Schiaparelli Couture bis zu Julia Roberts in einem asymmetrischen pinken Elie-Saab-Kleid oder Gemma Chan in Valentino Couture. Bei der Met Gala setzte Lady Gaga dann gewohnt noch einen drauf: mit ihrem »Red-Carpet-Striptease«, bei dem sie sich in vier Schritten bis auf die Unterwäsche auszog – zwei davon in strahlendem Pink. Aber auch für KäuferInnen abseits des Couture-Budgets wurden voluminöse pinke Kleider in diesem Jahr erschwinglich: H&M korporierte mit dem römischen Designer Giambattista Valli, seinerseits Erfinder des allseits begehrten Vokuhila-Tüllkleides.

Wird getragen von: Schneeweißchen und Rosenrot, ungefähr jeder Schauspielerin im Jahr 2019
StylistInnen-Sorge: Beißt sich mit dem roten Teppich
Passende Hintergrundmusik: »The Pink Panther Theme«

Krawattenträger des Jahres: John Bercow

Im britischen Unterhaus kann man mit Schreien auf sich aufmerksam machen. Oder man trägt psychedelisch-bunte Krawatten wie John Bercow. 

Fotos: rtr, dpa

Im Brexit-Drama gab es 2019 nicht viel zu lachen – und doch hatten die Verhandlungen im Unterhaus ihre Komik. Inmitten der Abgeordneten, die sich wie in einem überfüllten Fußballstadion drängelten und gegenseitig leidenschaftlich einander das Wort abschnitten, fiel besonders ein Mann auf: Der damalige Unterhaus-Sprecher John Bercow mit seinen »Orrr-deeer«-Schreien. Ähnlich eindrücklich ist auch dessen Krawatten-Sammlung, die sich über alle Muster und Farben des Regenbogens erstreckt. Ob der umstrittene Bercow uns damit etwas sagen wollte, sind wir uns immer noch nicht sicher, jedenfalls standen die bunten Accessoires sinnbildlich für die sowohl optische als auch inhaltliche Modernisierung, die er in seiner Amtszeit mit der Rolle des »Speaker of the House« vollzog. Im September dann kündigte Bercow seinen Rücktritt an, sein Nachfolger Lindsay Hoyle trat im November in den Dienst. Seitdem: eher unauffällige Outfits, ein Wahlsieg Boris Johnsons, geplanter Brexit am 31. Januar. Wir wünschen uns die bunten Krawatten zurück.

Wird getragen von: Dem Regenbogenfisch, pfiffigen Staubsaugervertretern in den 80er- und 90er-Jahren
Artverwandt mit: Ironischen Weihnachtspullis, Happy Socks
Trageanlass: Weiberfastnacht, Weihnachtsfeier bei der Sparkasse

Gewinnerin des Jahres: Rihanna

Rihanna beim Launch ihres Wäschelabels Savage x Fenty

Foto: Getty Images

Musik gab es leider auch 2019 keine neue von Rihanna, dafür jede Menge sonstige Großartigkeit. Nach ihrer Kooperation mit Puma und der überaus erfolgreichen eigenen Beauty-Linie nutzte die Sängerin das Jahr vor allem, um ihren Status als (Mode-)Unternehmerin auszubauen. Im Mai lancierte sie zusammen mit dem Luxus-Konglomerat LVMH ihre Modelinie Fenty – die erste Luxusmodemarke, die je von dem französischen Konzern ganz neu gegründet wurde und die erste, die von einer Woman of Color geführt wird. Im September dann löste sie mit der Show ihres Wäschelabels Savage x Fenty (und deren anschließendem Streamings über Amazon Prime) mal eben die kurz zuvor abgesagte Victoria’s-Secret-Show als größtes Unterwäsche-Spektakel des Jahres ab: Statt goldbemalter und bis zur Persönlichkeitslosigkeit durchoptimierter »Engel« gab es bei Rihanna eine Performance von Models und Tänzerinnen mit diversen Körperformen, Hautfarben und Oberweiten. Danke, Ri!

Wird getragen von: Rihannas gesamtem Freundeskreis aka der Crème de la Crème der Musik-, Film- und Modebranche
Wird getragen mit: Selbstbewusstsein, natürlichen Körperformen
Nicht zu verwechseln mit: Fendi