Oben hui, unten lässig

Viola Davis trug bei den Emmy Awards zum Abendkleid Sneaker. Das ist 2019 zwar kein Akt der Rebellion mehr, aber immer noch ein wichtiges Statement für die Gleichberechtigung.

Foto: Getty

Der Auftritt von Viola Davis bei den Emmy Awards wurde im Internet als modisches Highlight gefeiert. Als die Schauspielerin am vergangenen Sonntagabend die Laudation auf den »Best Supporting Actor in a Drama Series« hielt, trug sie zu ihrer schulterfreien Robe in Schwarz-Weiß silberne Plateau-Sneakers des italienischen Labels Hogan. »I lived for you in them sneakers« schrieb etwa Schauspielerin Taylour Paige unter Davis’ Instagram-Foto, bei der Modeblog Manrepeller kommentierte zum Best-Dressed-Post: »Moments that have kept my browser wide open tonight for the #emmys2019: These and Viola Davis’s sneakers.«

Davis hat in ihrer Karriere auch vorher schon so einige Male Geschichte geschrieben: Sie ist die erste Woman of Color, die einen »Triple«, also sowohl einen Emmy, einen Tony und einen Academy Award (Oscar), gewonnen hat. Ob sie mit ihrer Schuhwahl – wenn auch auf einem wesentlich unbedeutsameren Level – hier auch bleibenden Eindruck in der Modegeschichte hinterlassen hat?

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Die Casualisierung unserer Kleidung ist seit Jahren in vollem Gange. Erst etablierte Athleisure Leggings, Sport-BHs und alles, was irgendwie atmungsaktiv ist, als allgemeine Freizeitkleidung. Mittlerweile richten sich zahlreiche Marken dieser Bewegung (wie etwa das kanadische Leggings-Brand Lululemon) mit etwas weniger knalligen Produkten verstärkt auch an KundInnen in einem formelleren (Arbeits-)Kontext. 

Im Bereich Versportlichung des roten Teppichs begannen sich bisher vor allem Turnschuhe durchzusetzen – allerdings vorrangig von Männern im Anzug. Prominente Beispiele sind Cherno Jobatey seit den Neunzigern, Justin Timberlake seit seinem ersten Solo-Album und die deutsche Nationalmannschaft seit Jogi Löw. Bei den jährlichen Laureus World Sports Awards soll mit dem Dresscode #SneakersForGood seit einigen Jahren darauf aufmerksam gemacht werden, dass es bei der Veranstaltung nicht nur um Glamour, sondern die Förderung von Kindern geht – das brachte sogar schon Fürst Albert von Monaco dazu, seinen Frack mit Turnschuhen zu kombinieren.

Bei Frauen sind Sneakers auf großen Abendveranstaltungen hingegen weiterhin eher unüblich – mit ein paar Ausnahmen. Schauspielerin Cybill Shepherd kam schon 1985 in Aerobic-Sneakers zu den Emmys, Serena Williams schlug im letzten Jahr sogar bei der royalen Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle in Valentino-Sneakers auf und Kirsten Steward erweist sich als ziemlich stetige Sneakersträgerin, besonders eindrücklich in Cannes, wo sie 2016 mit ihrer Schuhwahl ein Statement gegen die veralteten und sexistischen Schuh-Vorschriften an der Croisette setzte (wie im gleichen Jahr auch Julia Roberts mit ihrem Barfuß-Auftritt).

Bei vielen dieser Frauen ist der Grund ihrer flachen Schuhwahl laut eigenen Aussagen schlicht und einfach die Bequemlichkeit. Auch Davis schreib zu einem Video ihres Auftritts in auf Twitter #SavedMyDamnFeet, also #SieHabenMeineVerdammtenFüßeGerettet.

Bei Dresscodes geht es oft darum, der Größe eines Events Respekt zu zollen – und auch wenn ein bisschen Schickmachen den wenigsten Abendveranstaltungen schadet, sollten sich Menschen, insbesondere Frauen, 2019 nie dazu gedrängt fühlen, sich in einengende oder sexuell aufgeladene Bekleidungsnormen zu zwängen. Dass man einer Veranstaltungen auch in Turnschuhen den nötigen Respekt zollen kann, beweist Viola Davis hier schließlich mit Bravour.

Wird getragen von: Cherno Jobatey, Justin Timberlake, Werbern, Joschka Fischer bei seiner Vereidigung, Kirsten Steward, Millie Bobbie Brown
Wird getragen mit: Glitzerfummel oder Yoga-Outfit
Nicht verwechseln mit: Casual Friday