Darf ich die sexistische Tasse eines Kollegen zerstören?

Die üppigen Frauenbrüste auf der Kaffeetasse ihres Kollegen machen eine Leserin so wütend, dass sie das Teil am liebsten kaputt machen würde. Vernünftig oder völlig übertrieben?

»Darf ich die sexistische Kaffeetasse (sie stellt eine Frau mit riesigen Brüsten dar, die ganz praktisch positioniert sind, damit man die Tasse gut halten kann …) eines Kollegen beim Ausräumen der Spülmaschine fallen lassen?« Doris T., München

Streng genommen geht es hier nicht um Sexismus, also um Vorurteile und Diskriminierung aufgrund von Geschlechtszugehörigkeit, sondern um sexuelle Gewalt. Ich benutze diesen Ausdruck hier im vollen Bewusstsein der Gefahr, dass mir Verharmlosung »echter« sexueller Gewalt vorgeworfen werden könnte. Mir geht es jedoch darum zu zeigen, wo sexuelle Gewalt beginnt. Nämlich da, wo Menschen gegen Ihren Willen sexuell motivierten oder konnotierten Situationen, Handlungen oder Anspielungen ausgesetzt werden, also bei der sexuellen Belästigung. Ob sich die Betroffenen wehren können, ist zweitrangig. Entscheidend ist, dass es sich um etwas handelt, gegen das sie sich wehren müssen, wenn sie es nicht wollen. Insofern läge es nahe, dass Sie sich gegen diese Belästigung auch in einer Form von Gewalt wehren dürfen, etwa indem Sie die Tasse fallen lassen. Nur ist mir das zu konfrontativ, ein Übertrumpfen an Fiesheit, eine Art Kampf der Geschlechter. Dabei sollte genau das überwunden werden. Deshalb erschiene mir ein anderes Vorgehen sinnvoller: Zunächst würde es, da eine derartige Tasse am Arbeitsplatz eine sexuelle Belästigung darstellt, die nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz am Arbeitsplatz verboten ist, ausreichen, sich an den Arbeitgeber zu wenden. Auch damit der das Problem insgesamt angeht.

Für noch besser hielte ich jedoch, den Kollegen offen auf seine Tasse anzusprechen, ihm zu sagen, dass Sie die für unangemessen halten, und ihn zu fragen, warum er sie an seinem Arbeitsplatz benutzt, an dem auch Frauen arbeiten und damit konfrontiert werden – und nicht zu Hause. Zudem können Sie ihm genau das vorschlagen: dass er die Tasse mit nach Hause nimmt und dort benutzt. Je nachdem, mit wem er zusammenlebt, könnte das zu einer intensiven und wirklich klärenden Diskussion des Themas führen.

Meistgelesen diese Woche:

Leseempfehlungen:

Aus Politik und Zeitgeschichte, Themenheft »Sexismus«, 64. Jahrgang, 8/2014 herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung. Hier online abrufbar.

Charlotte Diehl, Jonas Rees und Gerd Bohner: Fakten statt Mythen. Ein Kommentar zur Sexismus-Debatte aus wissenschaftlicher Sicht auf Spektrum.de.

Julian Dörr: Gewalt gegen Frauen ist Gewalt von Männern, Artikel in der Süddeutsche Zeitung vom 19. 10. 2017.

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14. August 2006.

Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.

Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Grenzen setzen. Was tun bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz? Hier online abrufbar.

Zum Vorgehen als Vorgesetzter bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz: Weitere Hinweise und Literatur bei dieser Gewissensfrage.