»Wir haben seit geraumer Zeit eine Diskussion. Meine Frau steckt in Kaffeebars ihre und meine nicht benutzten Zuckerbeutelchen ein. Sie trinkt Kaffee ohne Zucker, ich brauche nur ein Tütchen. Wir nehmen also bis zu drei Beutel mit, um sie dann später zu Hause unseren Gästen zum Kaffee zu servieren. Gehört der gereichte Zucker uns oder ist das Diebstahl?« Helmut R., Nürnberg
Ich kann Sie beruhigen. Um Ihre Frage zu beantworten, habe ich mit Wirten gesprochen, die Kaffee mit diesen Zuckerbeuteln servieren. Sie wiesen die Idee, dass es Diebstahl sein könnte, ausdrücklich zurück – und sie wären es ja, zu deren Lasten er ginge. Das mag auch daran liegen, dass, wie ich erfahren habe, die Kosten bei entsprechendem Großeinkauf bei unter einem Cent pro Packung liegen. Und natürlich »preistechnisch einkalkuliert« seien. Mit anderen Worten: Sie haben sie mitbezahlt. Andererseits haben meine Recherchen ergeben, dass die meisten Wirte unverbrauchte Zuckerbeutel üblicherweise nicht wegwerfen, sondern wieder servieren. Und dass dies zulässig ist, solange die Beutel nicht verschmutzt oder beschädigt sind. Das ist dann auch gut für die Umwelt.
Ihre Frage, ob das Diebstahl ist, kann man leicht verneinen. Das beantwortet aber noch nicht die Frage, ob es richtig ist, den Zucker mitzunehmen. Und dabei würde ich wieder einmal den Schwerpunkt weniger auf die Handlung, das Einstecken, sondern auf die zugrundeliegende Haltung legen. Alles mitzunehmen, was man darf, nur weil man es darf, ist kein schöner Charakterzug, sondern ein schlechter.
Deshalb würde ich unterscheiden: Den ungebrauchten Zucker allein deshalb mitzunehmen, weil Sie ihn – zumindest kalkulatorisch – mitbezahlt haben, bewegt sich in Richtung Raffgier oder Geiz und wäre infolgedessen abzulehnen. Geht es hingegen um eine Art Sammeln der oft schön gestalteten Tütchen und das Spiel, sie Gästen zu Hause wie in einem Café vorzusetzen, spricht wenig dagegen, das zu tun. Im Gegenteil, damit verlängern Sie gewissermaßen den Genuss der Tasse Kaffee von der Kaffeebar bis nach Hause. Und darum, um Genuss, sollte es bei Kaffee und Lokalbesuchen ja vor allem gehen.
Hinweise:
Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene
Kapitel II Art. 4 Abs. 2
Artikel 4
Allgemeine und spezifische Hygienevorschriften
...
(2) Lebensmittelunternehmer, die auf Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebensmitteln tätig sind, die den Arbeitsgängen gemäß Absatz 1 nachgeordnet sind, haben die allgemeinen Hygienevorschriften gemäß Anhang II sowie etwaige spezielle Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 zu erfüllen.
Anhang II Kap. IX Nr. 3
Lebensmittel auf allen Stufen der Erzeugung, der Verarbeitung und des Vertriebs vor Kontamination zu schützen, die sie für den menschlichen Verzehr ungeeignet oder gesundheitsschädlich machen bzw. derart kontaminieren, dass ein Verzehr in diesem Zustand nicht zu erwarten wäre.
Online abrufbar unter:
http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex:02004R0852-20090420
Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Lebensmitteln (Lebensmittelhygiene-Verordnung - LMHV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juni 2016 (BGBl. I S. 1469)
Neugefasst durch Bek. v. 21.6.2016 I 1469
§ 2 Begriffsbestimmungen
(1) Im Sinne dieser Verordnung sind
1. nachteilige Beeinflussung: eine Ekel erregende oder sonstige Beeinträchtigung der einwandfreien hygienischen Beschaffenheit von Lebensmitteln, wie durch Mikroorganismen, Verunreinigungen, Witterungseinflüsse, Gerüche, Temperaturen, Gase, Dämpfe, Rauch, Aerosole, tierische Schädlinge, menschliche und tierische Ausscheidungen sowie durch Abfälle, Abwässer, Reinigungsmittel, Pflanzenschutzmittel, Tierarzneimittel, Biozid-Produkte oder ungeeignete Behandlungs- und Zubereitungsverfahren,
...
§ 3 Allgemeine Hygieneanforderungen
Lebensmittel dürfen nur so hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht werden, dass sie bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt der Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung nicht ausgesetzt sind. ...
Illustration: Serge Bloch