Griechisches Bier

Manchmal passieren auf einer Reise unvorhergesehene Dinge. Was unserer Autorin im griechischen Chaos wenigstens etwas Halt gab, war ein spezielles Insel-Gebräu.

Foto: Erli Grünzweil

Im vorigen Sommer saß ich in einem Flugzeug nach Athen, und ich saß in der Business Class, weil ich mich ein halbes Jahr zuvor leider so richtig mit meinen Flügen verbucht hatte, das aber viel zu spät gemerkt und – ach. Einer meiner typischen Fuck-ups, die dazu führen, dass ich nie Geld auf dem Konto habe. Ich saß also in Reihe 1 am Gang, am Fenster saß ein Mann in den sogenannten besten Jahren, er sah sehr nett aus, eine friedvolle, liebe Version von Tony Soprano. Wir waren beide tierisch müde und hingen irgendwo in der Zwischenwelt, halb wach, halb schlafend.

Ich von meinem Schock am Abend zuvor, weil mir da klar geworden war, dass ich diesen sauteuren, nicht erstattbaren Schwimmsporturlaub gebucht, den passenden Flug dazu aber vor Monaten gleich wieder storniert hatte. Und er, weil er, wie er mir später erzählte, die Nacht auf einer Couch verbracht hatte. Uns fielen permanent die Augen zu, mir über all den bizarren Anforderungen des ungewohnten Business-Class-Flugs, ihm über einer Netflix-Serie.

Nach der Landung in Athen hob er wie selbstverständlich meinen kleinen, angekauten und mit Kindergraffiti vollgesprühten rosa Koffer aus dem Gepäckfach und fragte: »Business oder Ferien?« – »Schwimmen«, sagte ich, und wir mochten uns offenbar irgendwie und waren schnell bei den existenziellen Dingen – noch auf dem Weg durch die Flughafenhalle redeten wir übers Älterwerden und Loslassen, übers Wegfahren und Ankommen, über Heimweh und Sehnsucht. Und wir redeten über Bier, denn da fühlten wir uns beide sicherer als im Existenzialismus. Ich aus Erfahrung, und er, weil ihm die größte unabhängige Brauerei Griechenlands gehörte.

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Es war also eine wirklich schöne Begegnung, wir wollten gar nicht so richtig aufhören zu reden, und da war er so nett, mich mit dem Auto noch fast bis nach Piräus zu bringen, wo ich auf eine Fähre zu einer Insel steigen wollte.

Irgendwo in der Nähe von Piräus winkte er mir ein Taxi herbei, wir verabschiedeten uns, und er sagte noch: »Blue-Island-Bier. Trinken Sie Blue Island!«

Auf der Insel verbrachte ich eine körperlich sehr intensive Woche, und die Abende liefen deshalb immer gleich ab: vom Meer ins Hotel und in die Dusche robben, von der Dusche in ein Kleid und zwei Sandalen robben, dann in die Strandbar robben und nach einer Flasche Blue-Island-Bier rufen. Danach noch irgendwo was zu essen finden, und am besten noch eine Flasche Blue-Island-Bier. Mit der Flasche im Arm einschlafen.

Am Ende der Woche verbrachte ich noch 24 Stunden in Athen (Flug-Fuck-up). Dort geriet ich merkwürdigerweise ununterbrochen in Schwierigkeiten (gar nicht meine Art!), aber gleichzeitig musste auch ein glücklicher Fluch auf mir gelegen haben, es war alles ein bisschen wie die Sache mit der Business Class. Zum Beispiel verlief ich mich in einer gefährlichen Drogenhölle, aber Christos, der Taxifahrer, rettete mich und besorgte mir ein sicheres Hotelzimmer, indem er behauptete, ich sei seine Cousine aus Hamburg, und so weiter und so fort. In der Nacht dann saß ich vollkommen überraschend im Herodion-Theater unter der Akropolis, Reihe 5, Mitte, und hörte mir ein hinreißendes Cello-Konzert an, die beiden Tickets waren mir geschenkt worden, also hatte sogar meine Handtasche einen schönen, eigenen Sitzplatz. In der Hand hielt ich eine Flasche Blue-Island-Bier.

Diese ganze Woche, wie sie begann, was sie für mich in der Ziehung hatte und wie sie endete, ist mir ein Rätsel, etwas Glückliches, Unwirkliches, das ich nicht entziffern kann. Wie, na ja, vielleicht eine blaue Insel, schaumgeboren.