Raki für Anfänger

Ergibt es noch Sinn, den Teenager-Sohn vom Schnaps fernzuhalten – wenn er das Glas eh schon verdächtig routiniert in den Händen hält?

Foto: Erli Grünzweil

Mein 15-jähriger Sohn hat sich zum vielleicht letzten Mal bereit erklärt, eine Woche Ferien mit seiner Mutter zu machen. Das gab unserer gemeinsamen Zeit auf Kreta etwas Feierliches, es war klar, dass wir es krachen lassen, um es mit den Worten meines Sohnes auszudrücken: »Ausschlafen, extremchillen am Strand und abends essen und Deep Talk.« Während des ersten Deep Talks, es ging um Freundschaften zwischen Mädchen und Jungs, stellte der Kellner zum Dessert zwei Gläser Raki auf den Tisch.

»Entschuldigung«, sagte ich, »aber er ist erst 15.«

»Entschuldigung«, sagte der Kellner und sah meinen Sohn an, »aber er sieht aus wie 18.«

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»Mama«, sagte mein Sohn und sah mich an, »ich bin Boxer.«

»Ja, eventuell verträgst du mehr als ich.«

»Auf sicher, Mama.«

Er nahm das Glas mit großer ­Lockerheit in die linke Hand, es war also offensichtlich nicht das erste Schnapsglas, das er in der Hand gehabt hat, und so stießen wir an und tranken. Im Abgang sagte der Kellner: »Jámas!«

Später im Bett schlug ich voll schlechtem Gewissen die Prozente von Raki nach – auf Kreta ursprünglich Tsikoudia genannt, wird aus Trester destilliert und bei fast jedem Anlass gereicht, als Zeichen der sozialen Inter­aktion, enthält 30 bis 40 Volumenprozent Alkohol. Ich schluckte, es brannte noch ein bisschen nach.

Mein Sohn war derweil draußen am Hafen, mit jungen Leuten aus halb Europa, am nächsten Tag wurde mir zugetragen, dass vor allem Griechinnen anwesend waren.

»Voll mein Typ, Mama.«

Ich reichte ihm die Flasche mit dem halb gefrorenen Wasser, die unter unserem Sonnenschirm dezent vor sich hin schwitzte, ganz im Gegenteil zu uns, wir schwitzten sehr offensiv. Dann kaufte ich noch einen Satz geschnittene­ Melone und danach gingen wir schwimmen, Hauptsache, Wasser – und bloß kein Alkohol.

»Was genau ist eigentlich dein Typ, Mama?«

»Weiß nicht«, sagte ich, »ungefähr der«, und zeigte auf ein silbrig schimmerndes Best-Ager-Model, das in der Brandung mit seiner Teenagertochter Ball spielte.

»Äh, Mama, der ist voll alt.« Hochnäsigkeit ist das Privileg der Jugend, also sagte ich nichts dazu.

Abends bei gegrilltem Tintenfisch und ­Chicken Gyros Pita dann weiter Deep Talk: »Ich träum ja von einer Villa in Spanien mit Pool und Hunden und allem, Mama.«

»Ganz schöne Luxusträume.«

»Klar, soll ich broke Träume haben, oder was?«

»Na ja«, sagte ich, »nicht gleich broke, aber mir zum Beispiel würden zwei Zimmer mit Balkon in der Bretagne reichen.«

»Zwei Zimmer sind broke.«

Der Kellner kam mit dem Raki.

»Schon wieder?«, fragte ich.

Mein Sohn grinste und sagte: »Jámas!«

»Pass auf«, sagte ich, nachdem ich die Rechnung bezahlt hatte, »wir gehen jetzt in eine tolle Bar, und ich zeig dir, was ein richtig guter Drink ist, hat Opa mit mir auch gemacht, als ich 15 war.«

»Also, ich kenn bisher nur Wodka Red Bull, Jägermeister Red Bull und Champagner-Bowle.«

»Wo hast du denn Champagner-Bowle getrunken?«

»Geburtstag von Theos Oma.«

Auf einen Geburtstag von Theos Oma würde ich auch gern mal eingeladen werden, dachte ich und bestellte in einer Bar zwei Gin-Cocktails mit viel Obst drin.

»Was ist das?«

»Eine Kirsche neben zwei getrockneten Brombeeren auf Basilikum, Zucker und Grapefruitsaft, das Scharfe am Boden ist teurer Gin, trink langsam und nimm den Strohhalm raus.«

»Wo ist das Strohhalm-Pro­blem?«

Ich erzählte ihm eine wilde Geschichte aus meiner Teenagerzeit, die hier jetzt aber nichts zur Sache tut.