Guido Ritter ist Professor für Ökotrophologie an der Fachhochschule Münster. Zusammen mit einem ehemaligen Studenten veröffentlicht er regelmäßig den Podcast Klausurrelevant!, in dem es um gesunde Ernährung, Essenskultur und Nachhaltigkeit geht.
»Tatsächlich ist das Frühstück die wichtigste Mahlzeit am Tag, denn wir haben über Nacht gefastet. Deshalb wird es im Englischen breakfast genannt: Man bricht das Fasten. In allen Gesellschaften rund um den Globus ist ein Frühstück üblich, damit beginnt man gemeinsam den Tag. Mittlerweile ist es wissenschaftlich belegt, dass das geistige und körperliche Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit sehr stark vom Frühstück abhängen – auch wenn es kulturell bedingt sehr unterschiedlich ist, was wir morgens essen. In Asien gibt es Suppen oder Reste vom Abendessen, in Europa haben sich Kaffee, Heißgetränke und süßes Gebäck etabliert. Es gibt zwar das Sprichwort, dass man wie ein Kaiser frühstücken soll, und die Mahlzeiten über den Tag weg immer kleiner werden sollen. Das stimmt so nicht. Wenn wir am Morgen übermäßig viel essen, werden wir uns über den Tag weg nicht automatisch zügeln und gehen am Ende mit mehr Energie ins Bett, als wenn wir gemäßigt frühstücken und über den Tag verteilt die restlichen Mahlzeiten zu uns nehmen. Für ein gesundes Frühstück ist es daher nicht wichtig, viel zu essen, sondern etwas, das lange sättigt. Ballaststoffe und Proteine eignen sich gut, deshalb gehen Empfehlungen in Richtung Vollkorn oder Müsli, wo dann Milchproteine eine Rolle spielen. Aber ein schönes Brot tut's auch. Prinzipiell gilt: Ernährung ist Gewohnheitssache. Wenn man morgens gemeinsam frühstückt, kann man schon bei Kindern die Grundlagen für einen gesunden Lebensstil legen.
Aus Zeitgründen wird allerdings oft auf das Frühstück verzichtet. Bei bestimmten Ernährungsgewohnheiten oder Diätmaßnahmen, zum Beispiel Intervallfasten, wird das Frühstück sogar bewusst weggelassen, um die Fastenphase der Nacht zu verlängern. Das ist in der Evolution aber nicht üblich und tut dem Körper auf Dauer nicht gut. Für eine gewisse Zeit scheint der Verzicht aufs Frühstück dazu zu führen, dass wir abnehmen, aber die Gefahr besteht, dass wir mit übermäßigem Hunger über den Tag noch mehr in uns reinschaufeln. Wer nicht direkt nach dem Aufstehen essen kann, sollte sich deswegen auf alle Fälle etwas mitnehmen: Ein Apfel, eine Banane oder ein Pausenbrot eignen sich als Mahlzeit für unterwegs.
Besonders für Kinder und Jugendliche ist das Frühstück unverzichtbar, denn im Wachstum braucht der Körper den ganzen Tag verschiedene Nährstoffe. Für Kinder, die nicht frühstücken und vielleicht auch noch mit mangelnder Bewegung in die Schule kommen, steigt die Gefahr für Adipositas und Übergewicht deutlich an. Noch immer kommen in Deutschland zu viele Kinder komplett ohne Frühstück und ohne Pausenbrot in die Schule. Das hat auch etwas mit sozialer Ungerechtigkeit zu tun. Deswegen ist das Frühstück auch eine soziale Frage.«