»Unsere Tochter, 14, hat seit Jahren eine Freundin, die bei uns in der Nähe wohnt. Sie gehen zusammen zur Schule, sitzen nebeneinander. Seit etwa zwei Jahren geht unserer Tochter das Verhalten ihrer Freundin immer mehr auf die Nerven (sie sei besserwisserisch, herrisch, eifersüchtig, gemein zu anderen etc.) Es gab auch Streite. Kurzum, unsere Tochter möchte nicht mehr mit ihr befreundet sein. Nur hat sie ihr nie ein Zeichen gesendet, dass sie mit ihr weniger zu tun haben will – die Freundin würde aus allen Wolken fallen, würde unsere Tochter ihr die Wahrheit sagen. Zudem gibt es das Problem des gemeinsamen Schulwegs. Unsere Tochter ist immer öfter verzweifelt und weiß nicht, was sie tun soll. Wie können wir ihr helfen?« Anonym
Sie meinen es bestimmt wahnsinnig gut, aber dass Sie in dieser Sache hier um Rat fragen, deutet eventuell bereits an, wo das ursächliche Problem liegen könnte. Es wirkt, verzeihen Sie mir, leicht over-protective. Möglicherweise trauen Sie Ihrer Tochter nicht genug zu – und sie sich dadurch auch selbst nicht. Offenbar fürchtet sie so sehr, was für negative Konsequenzen es haben könnte, wenn man sich abgrenzt und behauptet, dass sie sich seit zwei Jahren verstellt. Seit zwei Jahren!
Ich habe Ruth Leonhard, Münchner Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche, um ihre Einschätzung gebeten. Sie sagt, ganz klar, eine 14-Jährige könne es selbst schaffen, das zu klären. Was aber können Sie als Eltern tun? Sie sollten versuchen, sagt Ruth Leonhard, im Gespräch mit Ihrer Tochter herauszufinden, was sie eigentlich konkret befürchtet. Das nimmt der Freundin schon mal ein wenig die angedichtete Allmacht. Sie sollten als Eltern außerdem darauf achten, diese Freundin nicht auch zu verteufeln. Wenn Ihre Tochter eine solche Angst vor ihr hat, dass sie sich lieber jahrelang selbst verleugnet als sie zu konfrontieren, schreibt sie der Freundin aggressive Anteile zu, die sie nun dringend in sich selbst entdecken sollte. Verurteilen nun auch Sie diese Freundin, wird Ihre Tochter sich weiter nicht trauen, auch mal Nein zu sagen, und weiter nur »lieb« und angepasst sein wollen, denn Aggression, wird sie interpretieren, ist etwas Schlechtes.
Ruth Leonhard meinte noch, es gebe doch bestimmt auch andere Anreize für Ihre Tochter, gerne in die Schule zu gehen. Möglicherweise ja auch andere (potenzielle) Freundinnen? Lenken Sie den Fokus darauf. Und schließlich und hauptsächlich: Schenken Sie Ihrer Tochter Vertrauen. Bestärken Sie sie darin, dass sie ihre Abgrenzung schon schaffen und das alles gut lösen wird. Auf ihre eigene Weise.