Name: Daniel Seiffert
Geboren: 07.01.1980 in (Ost)-Berlin
Ausbildung: 2008-2011 Ostkreuzschule für Fotografie, Magister Artium in Politik- und Medienwissenschaften
Homepage: www.danielseiffert.de
SZ-Magazin: Worum geht es in Ihrer Arbeit genau?
Daniel Seiffert: Ich habe in Lübbenau, einer kleinen Stadt in Brandenburg, über eineinhalb Jahre lang den Alltag von Jugendlichen begleitet. Früher gab es dort ein Kraftwerk, das aber kurz nach der Wende von einem Tag auf den anderen geschlossen wurde. Mir ging es in meiner Arbeit darum zu zeigen, was es bedeutet, an einem Ort aufzuwachsen und jung zu sein, der fortwährend schrumpft und altert. Wie in vielen Ortschaften Ostdeutschlands gibt es auch dort eine Spirale von wirtschaftlicher Rezession, Arbeitslosigkeit und Bevölkerungsrückgang. Es gibt viel mehr ältere Menschen als junge. Die Altersstruktur hat sich komplett gedreht. In den frühen Sechzigerjahren – in der Zeit also, als das Kraftwerk der Stolz der Region war und Grund für viele junge Leute, nach Lübbenau zu kommen - lag der Altersdurchschnitt bei ca. 28 Jahren.
Der Titel »Kraftwerk Jugend« wirkt ungewohnt. Wie entstand er?
Mich hat der Begriff des jugendlichen »Kraftwerks« als eine Art von progressiver Energie interessiert. Als ich dann erfahren habe, dass das ehemalige Lübbenauer Kraftwerk auch den Namen „Jugend“ trug, war das eine ganz besondere Klammer, die sich um die Arbeit gelegt hat. Die Analogie zwischen dem ehemaligen Braunkohlekraftwerk und der Jugendgeneration war für mich schlüssig und brachte die Arbeit voran. Man könnte den Titel »Kraftwerk Jugend« also auch als den Versuch lesen, den wunderbar unsteten Schwebezustand, der zwischen Jugend und Erwachsenwerden liegt, irgendwie einzufangen und zu konservieren.
Wie würden Sie den Alltag der Lübbenauer Jugend beschreiben?
Als Ort ist Lübbenau im Grunde ziemlich austauschbar. Der Alltag der Jugendlichen unterscheidet sich nicht großartig von dem Ihrer Altersgenossen anderswo, ob in einer typisch westdeutschen Kleinstadt oder auch in den Weiten des »Wilden Westens« Amerikas. Man hängt tagsüber nach der Schule im Shoppingcenter ab und zieht abends weiter in den Park oder auf den Parkplatz, trinkt gesüßte Alkoholika, spielt in der Theater-AG und bestellt sich japanische Mangas beim örtlichen Buchhändler. Die Insignien der Jugendkultur findet man in der Form mittlerweile überall. Die Jugend ist ja so globalisiert wie sonst wahrscheinlich nur die Finanzmärkte.
Gab es etwas, dass Sie während dieser Arbeit besonders fasziniert hat?
Was ich so erstaunlich fand war, dass die Jugendlichen und die ältere Generation ihre Zeit so separat voneinander verbracht haben. Ich habe zum Beispiel einmal Bilder in einer Bowlingbahn gemacht, die direkt neben einem Skatepark liegt. Für die älteren Kraftwerker der Generation der über 50-Jährigen, die mich als einen der Jugendlichen sahen, war ich der erste überhaupt, der sich mal länger bei ihnen in der Bowlingbahn aufgehalten hat. Obwohl die beiden Orte lediglich von einer Mauer mit Fenster getrennt werden, sind sich die Jungen und die Alten nie begegnet.
Haben Sie durch das Projekt »Kraftwerk Jugend« noch etwas Neues gelernt?
Für solch ein umfangreiches Fotoprojekt braucht man gute Schuhe und einen langen Atem. Abgesehen von all den anderen Erlebnissen und Menschen, die ich getroffen habe, sind das wohl die zwei wichtigsten Erkenntnisse.
Fotos: Daniel Seiffert