Jenseits der Stadien

Wir stellen Ihnen jede Woche junge, talentierte Fotografen vor. Diesmal: Peter Barta mit seiner Arbeit »Without a Ticket – Newham während der Olympischen Spiele«.

Name: Peter Barta (Ungarn)
Geboren: Bratislava (Slowakei), 1981
Ausbildung: Autodidakt
Webseite: www.peterbartaphotography.com

SZ-Magazin: Wie ist Ihr Bezug zu London? Sind Sie extra zu Olympia hingefahren?
Peter Barta: Eigentlich war ich zufällig in London. Meine Freundin kommt zwar aus dieser Stadt, aber wir haben uns nicht dort kennengelernt. Ich wollte allerdings schon immer mal in London wohnen. Die Gelegenheit hat sich ergeben, als wir vor drei Monaten unsere Weltreise unterbrechen und für eine Weile in ihre Heimatstadt zurückkehren mussten. Ich hatte einfach großes Glück, dass es gerade in so einem historischen Moment passiert ist. Neben Olympia gab es noch die Jubiläumsfeier von Königin Elizabeth II., die Eröffnung des höchsten Gebäudes Europas, des "Shard", und die 40. Gay Pride. Ein tolles Jahr für London, für die Einwohner und für mich als Fotografen.

Das olympische Dorf und viele Sportstätten befinden sich im Viertel Newham mit 250.000 Einwohnern. Wie hat Olympia das Viertel verändert?

Man kann es mit einem Wort beschreiben: Gentrifizierung. Man wertet ein bisher eher heruntergekommenes Gebiet strategisch durch Neubauten und Infrastrukturentwicklungen auf. Die Immobilienpreise gehen in die Höhe und ein neuer Typ von Einwohner – mit mehr Geld und einem Interesse an sich entwickelnden Stadtteilen – zieht ein. Den alten Einwohnern wird es zu teuer und sie müssen weg. Viele werden von vornherein schon von der Verwaltung umgesiedelt. Newham ist gleichzeitig auch der Bezirk mit der größten ausländischen Einwanderung in London und auch eine der zwei multikulturellsten Gemeinden Englands – es werden dort 144 Sprachen gesprochen. Zudem ist die Arbeitslosenzahl die höchste Londons. Das alles sind Entwicklungen, die nicht gestern entstanden sind; ich kann mir schwer vorstellen, dass sich plötzlich alles ändert. Die Frage ist für mich, wie sich die verschiedenen Einwohnergruppen mit der abrupten Veränderung ihres Stadtteils abfinden, wie dieses plötzlich entstandene "Gemeingut" umverteilt wird. Zur Zeit sieht man nur, dass inmitten des Alten etwas Neues "hereinoperiert" wurde.

Wie verhielten sich die Einwohner während der Spiele?
Es ist schön und oft auch lustig, sie zu beobachten. Grundsätzlich tun sie, was sie nicht lassen können, aber oft spürt man da einen gewissen Stolz oder auch Trotz, im Sinne von "Ja, ich weiß, es ist Olympia, aber ich laufe hier trotzdem mal durch". Während man sie beobachtet, versteht man, dass es überhaupt nicht leicht ist, mit so einem Event als Einwohner umzugehen. Es ist einfach da, hunderttausende von nicht von mir persönlich eingeladenen Gästen stehen plötzlich vor der Haustür.

Was wird den Menschen von Olympia bleiben?

Sicherlich sehr schöne Erinnerungen, für die meisten werden es Bilder aus dem Fernsehen oder Internet sein. Großbritannien hat ausgezeichnet in der Medaillen-Rangliste abgeschnitten und die Nation konnte sehr oft sehr stolz sein. Aber die Nation ist viel mehr als nur die Engländer. Während der Eröffnungszeremonie, als die einzelnen Nationen im Stadion mit ihrer Fahne aufmarschiert sind, konnte man auf der Strasse jubelnde Jamaikaner, Litauer, Russen, Mexikaner und andere hören – jeder, der in England wohnt, konnte stolz sein, auf die Heimat und die Wahlheimat gleichzeitig. Es gibt aber auch andere Dinge, die bleiben, aber weniger mit patriotischen Gefühlen zu tun haben. Zum Beispiel Westfield, das größte Einkaufszentrum Europas, das direkt am Eingang des olympischen Parks gebaut wurde, wird wahrscheinlich zum dauerhaften "Ausflugsziel" für Familien und Jugendliche, kaufkräftige oder nur schaulustige. Olympia bedeutet aber auch Verbitterung: Die Verlierer dieses Projektes sind Menschen, die umgesiedelt werden.

War das Ihr erster großer Sportwettkampf?
Ja, definitiv mein erster und gleichzeitig auch mein größter. Ich habe mich nie besonders auf Sportwettkämpfe konzentriert, man hat da immer die großen Teleobjektive im Sinn, oder das lange Warten auf die Fahrradprofis am Straßenrand. Und eigentlich habe ich in diesem Fall auch nicht den Sportwettkampf, sondern sozusagen alles andere fotografiert. Ich wollte herausfinden, wie man als Einwohner überhaupt mit so einem Ereignis umgehen kann.

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Fotos: Peter Barta