Muss eine Schauspielerin sich verletzlich machen?

Die Schweizerin Ursina Lardi im Interview ohne Worte über Feminismus, ihren besten Gesichtsausdruck und die Frage, was sie als erstes macht, wenn sie ein Hotelzimmer bezieht.

Geboren: 19. Dezember 1970 in Samedan, Schweiz
Beruf: Schauspielerin 
Ausbildung: Ausbildung zur Primarschullehrerin, Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch 
Status: Untypisch Frau

An Neujahr lief dieser Tatort, er hieß Videobeweis, da saß Ursina Lardi in der Rolle der Versicherungsmathematikerin Kim Tramell im Minirock auf der Weihnachtsfeier einer Versicherung, sie sah gut aus, gefiel dem Chef, sie hatten Sex. Vordergründig ging es um die Frage, wer einen Dritten umgebracht hat, aber eigentlich ging es um die Frage: Kann man, wenn man auf einem Video sieht, wie andere Leute Sex haben, beurteilen, ob der Sex einvernehmlich ist oder nicht? Und wem glaubt man, wenn der Mann sagt, sie wollte doch auch, die Frau aber sagt, ich wollte nicht? Ursina Lardi spielt diese Kim Tramell als starke, stolze, undurchsichtige Frau, eine Rolle, die zeigt, dass man nicht schwach sein muss, um vergewaltigt werden zu können. Die Schweizerin spricht sechs Sprachen, dreht Arthouse-Filme in verschiedenen europäischen Ländern, der bekannteste Kinofilm mit ihr war Michael Hanekes Das weiße Band, sie gehört zum Ensemble der Schaubühne Berlin, ab dem 6. August steht sie bei den Salzburger Festspielen in Verrückt nach Trost von Thorsten Lensing auf der Bühne. Im deutschen Fernsehen ist Lardi ein seltener Gast, und doch war sie in einer weiteren Fernsehfrauenrolle besonders eindrücklich: In Festung spielt sie eine Frau, die von ihrem Mann geschlagen wird – die Frau ist stark, stolz, gebildet.