Mütter von kleinen Töchtern überall in der Welt gehen täglich durch die Tutu-Hölle. Aber dem Chef des französischen Tennisverbands wird beim Anblick des neuesten Ballettröckchens sicher das Herz aufgehen. Heute beginnen in New York die US Open, morgen spielt Serena Williams ihr erstes Match und nein, sie wird es nicht im Catsuit tun, sondern in einem hübschen Kleidchen mit Tutu, entworfen vom angesagten Off-White-Designer Virgil Abloh für Nike. Schön kurz und feminin, wie es sich halt gehört. Oder wie es sich in der heilen Tenniswelt des Franzosen Bernard Giudicelli gehört. Der hatte am Freitag in einem Interview erklärt, so einen Catsuit wie bei den French Open im Mai, das werde man nicht noch einmal durchgehen lassen. Das gehe zu weit, man müsse das Spiel und den Ort »respektieren.«
Interessante Wortwahl. Man kann einen Ganzkörperanzug ja alles Mögliche finden, unvorteilhaft, unfeminin, geschmacklos – aber respektlos? Es geht hier ja nicht um ein Harlekinkostüm, und Catsuit tragende Minderheiten, deren Gefühle Williams verletzt haben könnte, sind, soweit man weiß, auch nicht bekannt. Tritt man dem Tennis oder seinen ach so eleganten Funktionären wirklich auf den Schlips, wenn man ein Outfit ähnlich dem von Eisschnellläuferinnen oder Leichtathletinnen trägt?
Anders herum gefragt: Was ist eigentlich mit dem Respekt gegenüber Frauen? Denen immer noch ständig vorgeschrieben wird, wann sie wo hohe Schuhe und Röcke zu tragen haben, damit es hübsch aussieht. Nur bis zu einem gewissen Alter versteht sich, irgendwann wird’s ja sonst unappetitlich, Brigitte Macron kennt diese Leier. Und wo bleibt der Respekt gegenüber der erfolgreichsten Tennisspielerin aller Zeiten? Die in besagtem Catsuit ihr erstes Turnier nach der Babypause spielte, ganz nebenbei auch gewann, und den Anzug nicht nur aus modischen Gründen trug, sondern auch aus gesundheitlichen: Ähnlich Kompressionsstrümpfen sollte er die Blutzirkulation unterstützen, weil die 36-Jährige nach der Schwangerschaft mit Durchblutungsstörungen zu kämpfen hatte. Vielleicht sollte man Arsenal-Torhüter Petr Čech auch mal nahelegen, auf diesen albernen Helm zu verzichten. So ein bisschen mehr Respekt kann gerade der Fußball gerade gut gebrauchen.
Oder hat der »weiße Sport« in Wahrheit ein ganz anderes, generelles Problem mit Williams? Auf Twitter meldeten sich sogleich Frauenrechtlerinnen, hier ginge es in Wahrheit darum, diese Ausnahme-Frau endlich mal in die Schranken zu weisen. Wäre sie weiß und dünn würde kein Hahn nach dem Katzending krähen, so der Tenor. Das zumindest stimmt nicht ganz. 1985 trat die Amerikanerin Anne White bei Wimbledon ebenfalls in einem Catsuit auf, in weiß versteht sich, und wurde dafür sogleich abgemahnt, am nächsten Tag musste sie wieder im Rock erscheinen.
Allerdings liegen zwischen beiden Ereignissen mehr als 30 Jahre, ein paar Moonwashed-Jeansshorts und Tuxedo-Oberteile von Anna Kournikova. Der Tenniszirkus ist sehr viel bunter geworden, in jeder Hinsicht, was eine gute Sache sein sollte. Und wer weiß, vielleicht laufen bei den French Open nächstes Jahr ja einfach alle Spielerinnen und Spieler solidarisch im Catsuit auf, so wie die Schauspielerinnen bei den vergangenen Golden Globes alle Schwarz trugen. #weareserena
Williams selbst reagierte auf die ganze Aufregung profimäßig gelassen. Sie und Verbandschef Giudicelli hätten eine wunderbare Beziehung, erklärte Williams. Und für die Durchblutungsprobleme habe man mittlerweile andere Lösungen gefunden. »Bei Mode will man sowieso kein Wiederholungstäter sein.«
Wird auch getragen von: Catwoman, Kugelstoßerinnen, Kylie Minogue.
Typischer Instagram-Kommentar: So ein Ganzkörperding hätte Boris für seinen Beckerhecht gebraucht!
Das sagt Nike: You can take the superhero out of her costume, but you can never take away her superpowers.