»Zwei Weihnachtsgeschenke kamen dieses Jahr leider nicht gut an: Eine Freundin gab mir einen schwarzhumorigen Bestseller zurück – er sei ihr zu drastisch. Eine passionierte Teetrinkerin, die einen Teekannenwärmer bekam, erwiderte, sie brühe sich den Tee immer nur tassenweise auf. Ich hatte die Geschenke mit Sorgfalt ausgesucht und fühlte mich gekränkt. Bin ich zu empfindlich?« Elke D., Frankfurt
Ihr Ansatz war richtig. Sie haben sich Gedanken gemacht, welche Geschenke für wen passen könnten, und versucht, sich in die Person der Beschenkten zu versetzen. Zumindest ansatzweise. Denn leider sind Sie dabei so etwas wie auf halber Strecke hängengeblieben. Sie haben sich nicht wirklich in die andere Person hineinversetzt, sondern sich selbst an deren Stelle gesetzt. Sie als Leserin mögen vermutlich schwarzen Humor, deshalb vermuten Sie das auch bei anderen, und Ihre Vorstellung von einer Teetrinkerin ist, dass sie einen Kannenwärmer braucht.
Sowohl ein Buch als auch etwas auf einem Spezialgebiet der Beschenkten sind kühne Geschenke. Ein Buch beinhaltet die Erwartung, dass die Beschenkten sich eine geraume Zeit ihres Lebens dem Geschmack der Schenkenden unterwerfen. Aber die Geschmäcker sind höchst unterschiedlich. Zudem ist schwarzer Humor nicht jedermanns Sache. Und bei einer passionierten Teetrinkerin muss man davon ausgehen, dass sie dafür gut ausgerüstet ist, höhere Ansprüche an Utensilien stellt und vielleicht auch eine ganz bestimmte Methode hat, den Tee zuzubereiten. In beiden Fällen müsste man also mehr wissen, um ein gutes Geschenk platzieren zu können.
Dennoch haben Sie das Recht, gekränkt zu sein. Denn Ihre Freundinnen mussten Ihnen nicht explizit mitteilen, dass Ihre Geschenke trotz allem nicht ins Schwarze getroffen haben. Wer gibt bei Nichtgefallen ein Buch an die Schenkerin zurück? Oder erklärt, warum man das Geschenk nicht gebrauchen kann? Und vor allem: Warum? Ein Geschenk besteht aus zwei Teilen, dem Gegenstand und der Geste des Schenkens. Auch wenn der Gegenstand nicht gefällt, bleibt die Geste bestehen, und man muss sie nicht zerstören, indem man ohne speziellen Grund den Gegenstand kritisiert oder gar zurückgibt. Wer das tut, hat das Schenken nicht verstanden.
Lesenswert zum Schenken ist immer wieder der Eintrag 21 »Umtausch nicht gestattet« in Theodor W. Adornos »Minima Moralia«, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1951
Adorno betont dort, wie wichtig es ist, sich intensiv mit dem Beschenkten zu beschäftigen und »den anderen als Subjekt denken«.
Siehe dazu auch die Anmerkung von Andreas Bernard zu Adornos Eintrag 21 in: Andreas Bernard / Ulrich Raulff (Hrsg.), Theodor W. Adorno ›Minima Moralia‹ neu gelesen, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003, S. 15ff.