»Im Supermarkt legte die Kundin vor mir eine Sellerieknolle in einem Plastikbeutel aufs Band. Ich hätte der Dame gern den Denkanstoß gegeben, dass man bei robustem Gemüse, das ohnehin geschält wird, ohne Hygienemängel auf die Plastikverpackung verzichten kann, hatte aber Bedenken, dass dies als übergriffig empfunden werden könnte. Wie verhalte ich mich richtig, wenn mir der Umweltschutzgedanke wichtig ist, ich aber auch nicht als Erzieher fremder Menschen auftreten möchte?« Gerhard E., Gau-Algesheim
Ich finde, Sie haben das ganz richtig gemacht. Das Problem ist nämlich, dass man, wenn man diese beiden Sachen unter einen Hut bringen möchte, also Umwelt schützen und zugleich nicht als Erzieher fremder Menschen auftreten, wirklich nur auf sich selbst schauen kann. Es sei denn, man ist so irre charmant, dass sich jede Besucherin eines Supermarkts drei Wochen lang freut, wenn man das Wort an sie richtet. Wenn Sie zum Beispiel George Clooney wären, könnten Sie es vermutlich so sagen, dass niemand es als bevormundend empfände, sondern als schöne Idee eines Menschen, der einem überraschenderweise kurz seine Aufmerksamkeit schenkt. Oder wenn Sie es so sagen würden wie George Clooney. Wie man sich vorstellen könnte, dass George Clooney es in einem Film sagen würde, für den, sagen wir, Nora Ephron das Drehbuch geschrieben hätte. Also eine romantische Komödie aus Zeiten, in denen es noch romantische Komödien für Erwachsene gab. Nicht dass ich Ihnen den richtigen Ton nicht zutrauen würde. Aber heutzutage ist das Risiko doch recht hoch, an eine Supermarktkundin zu geraten, die mit einer gut gemeinten Charmeoffensive nicht umgehen kann (oder will). Und das gilt natürlich genauso für Supermarktkunden.
Wenn es Sie dennoch unglaublich danach drängt, etwas zu sagen, sollte es jedenfalls auf keinen Fall nach Denkanstoß klingen. Davon würde ich wirklich abraten. Niemand hat es gern, einen Denkanstoß zu bekommen, schon gar nicht von Fremden. Das wirkt von oben herab, und das mögen Menschen nicht, da kann man ruhig verallgemeinern. Auch wenn es möglicherweise unbefriedigend klingt, ist mein Rat, auch künftig nichts zu sagen, sondern schweigend mit gutem Beispiel voranzugehen. Und wer weiß, vielleicht lassen sich andere von Ihnen anregen und verzichten auch bald auf unnötige Tüten.