Bitzelt auf der Zunge

Für dieses Kimchi-Rezept aus dem Münchener Mun-Restaurant ersetzt Hans Gerlach Kohl durch Gurke. Das Ergebnis fühlt sich an wie der Sprung in einen kalten Bergsee: Wenn es Sie nicht umhaut, fühlen Sie sich hinterher sehr wach.

Fermentiertes Glück: Gurken mit würziger Füllung.

Foto, Text & Video: Hans Gerlach

Alles, was blubbert und fermentiert, fasziniert mich. Manchmal hätte ich zwar gerne mehr Kontrolle über meine Mikroben, aber meistens arbeiten sie in meinem Sinne und die fermentierten Ergebnisse von selbst gebackenem Brot bis Joghurt schmecken ungewöhnlich gut. Gesund sind sie sowieso. Ich war also entzückt, als Mun Kim, der Chef des Münchner Mun-Restaurants mir das Rezept für ein sommerliches Gurken-Kimchi gab. Das ist sein Lieblings-Kimchi. Im Restaurant serviert er koreanisch inspiriertes Fine Dining, dafür fermentiert er viel – auf eine zarte Art und Weise. Ich war deshalb überrascht, als ich sein Gurken-Kimchi zubereitete. Das schmeckte nämlich alles andere als zart. Die Wirkung war eher wie der Sprung in einen kalten Bergsee: Wenn es dich nicht umhaut, fühlst du dich hinterher sehr wach.

Dabei habe ich neue Dinge über Kimchi gelernt. Vielleicht am wichtigsten, dass Kimchi nicht immer komplett von Gewürzlake bedeckt sein muss. Im bayerischen Sauerkraut schützt Salzlake das Kraut vor Schimmel aus der Luft, so funktionieren auch manche Kimchi-Arten, aber eben nicht alle. Muns Gurken-Kimchi entwickelt erst nach mehreren Wochen so viel Flüssigkeit, dass die Gurken weitgehend davon bedeckt werden. Warum verschimmeln die Gurken trotzdem nicht? Dafür sorgen antibakterielle Stoffe aus Knoblauch und Chilipulver. Deshalb kann man auch nicht einfach die Knoblauchmengen sehr stark verringern, sonst würden unerwünschte Pilze die Gurken besiedeln. Aber keine Sorge, Mun meint: »Oh ja, wir verwenden eine Menge Knoblauch! Der Knoblauchduft und -geschmack wird abklingen, während die Fermentation voranschreitet.« Und tatsächlich schmeckt das Kimchi in allen Phasen sehr gut, sogar ganz am Anfang, wenn die Würzmischung gerade erst die frischen Gurken durchdringt und noch gar keine Fermentation läuft. Dann ist es einfach ein sehr würziger Gurkensalat. Am Tag, bevor das Kimchi in den Kühlschrank kommt wirkt es richtig wild und äußerst lebendig. Nach einer oder zwei Wochen im Kühlschrank verbinden sich dann alle Aromen zu einem harmonischen Ganzen. Genießen Sie es in kleinen Mengen mit Reis oder wie ein Gewürz mit Reisgerichten oder auch mit ganz anderen Zubereitungen, wie zum Beispiel Falafel.

Geschichte und die Basics zu Kimchi stehen hier: Kimchi mit Fenchel, Pfirsich und Kohlrabi. Mein persönliches Lieblings-Kimchi besteht aus Wassermelonenschalen.

Gurken-Kimchi

Zubereitungszeit
40
Gesamtzeit
72
Schwierigkeit

Zutaten für etwa 1 kg:

Für 4 Personen
  • 1,5 kg Gurken (am besten mit dünner Schale, zum Beispiel persische Gurken, manchmal heißen sie auch Snack-Gurken oder Gärtnergurken) Gurke
  • 100 g asiatischer Schnittlauch Schnittlauch
  • 180 g Meersalz Salz
  • 60 g koreanische, fermentierte Mini-Shrimps Garnelen, Krabben, Shrimps
  • 60 ml koreanische Sardellensauce oder eine gute vietnamesische Fischsauce Fischsauce
  • 60 g koreanisches »Gochugaru für Kimchi« – Chiliflocken Chili
  • 25 g Ingwerwurzel Ingwer
  • 15 Knoblauchzehen Knoblauch
  • 100 g Karotte
  • 1 kleine Zwiebel Zwiebel
  • 2 EL gekochter Reis Reis
  • 1 EL Zucker

1. Die Gurkenenden abschneiden, Gurken in 5 cm lange Stücke schneiden. Das Kerngehäuse mit einem Apfelausstecher oder einem schmalen Messer oder einfach mit einem Essstäbchen entfernen. 

2. Salz mit 2,5 l Wasser aufkochen lassen, die Gurken damit übergießen, 30 Minuten stehen lassen. Anschließend die Gurkenstücke kalt abwaschen, senkrecht aufstellen und abtropfen lassen.

3. In der Zwischenzeit den Schnittlauch in 3 cm lange Stücke schneiden, die Möhren und die Zwiebel in schmale Streifen schneiden und beiseite stellen.

4. Fermentierte Garnelen, Sardellensauce, Ingwer, Knoblauch und den gekochten Reis mixen. Die Paste in einer großen Schüssel mit Chilipulver und Zucker gut verrühren (etwa 5 Minuten). Dadurch kommt die Farbe des Chilipulvers zur Geltung und die Schärfe wird gemildert. Schnittlauch, Karotten und Zwiebeln mit der Hand vorsichtig untermischen.

5. Die Paste in die ausgehöhlten Gurkenstücke verteilen. 3 Tage bei Zimmertemperatur gären lassen. Oder bis der gewünschte Geschmack erreicht ist. Es soll nicht nur mariniert schmecken sondern auch ein wenig bitzelig fermentiert. Wenn es sehr warm ist, reichen eventuell 2 Tage, bei kaltem Wetter eher 4 Tage. Geruchsdicht verschließen, im Kühlschrank aufbewahren und in einigen Wochen verbrauchen.

Die Zutaten

gibt es unter den angegebenen Links, aber auch in koreanischen Lebensmittelgeschäften oder in größeren asiatischen Lebensmittelgeschäften oder bei Amazon. Eine wichtige Zutat sind koreanische Chiliflocken, die sind nie höllenscharf wie zum Beispiel viele Chilisorten der thailändischen Küche, doch es gibt sehr unterschiedlich scharfe Sorten »Gochugaru für Kim Chi« die Sorte unter dem angegebenen Link ist aus Cayennepfefferschoten also schärfer, ich hatte auch ein mildes Gochugaru, das war schon fast ein wenig lasch – eine Mischung ist vielleicht am besten.

Die fermentierten Mini-Shrimps werde ich beim nächsten Mal weglassen, denn die sind einfach viel zu jung und werden mit dem Schleppnetz gefangen. Aber der Kim Chi Prozess braucht etwas Eiweiß, sonst werden daraus nur scharfe, saure Gurken – wahrscheinlich reicht das Eiweiß aus Fischsauce, sonst müssen vielleicht ein zwei Löffel gekochte rote Linsen dazu, das habe ich noch nicht probiert. Die einzige wirklich hochwertige und sauber produzierte Fischsauce, die es meines Wissens in Deutschland zu kaufen gibt, ist die von Red Boat (nein wir kooperieren nicht mit der Firma, gäbe es Alternativen würde ich sie nennen und für Tipps bin ich dankbar). Die Sardinen dafür werden mit Ringwadennetzen gefangen, die Maschengröße ist so ausgelegt, dass junge Sardinen durchschlüpfen. Das scheint mir vertretbar zu sein – nehmen Sie einfach einen Löffel mehr davon und lassen Sie die Shrimps weg.