»Am Wochenende kommt der Papst nach Freiburg. Die Hotels sind seit Monaten ausgebucht, Privatzimmer kosten inzwischen mehr als 500 Euro, und selbst Isomattenplätze werden für dreistellige Beträge pro Nacht angeboten. Ich bin kein Christ, habe aber ein Zimmer, das in dieser Zeit nicht genutzt wird. Ich als Student könnte das Geld auch gut gebrauchen. Aber kann ich das Zimmer für so viel vermieten, wie ich im Monat für die ganze Wohnung bezahle? Ist es verwerflich, den Preis zu verlangen, der aufgrund der Nachfrage bezahlt würde?« Simon I., Freiburg
Stellen Sie sich vor, nicht der Papst käme nach Freiburg, sondern die Sängerin Madonna verfiele auf die Idee, das einzige Deutschlandkonzert auf ihrer nächsten Tournee dort abzuhalten. Und nun strömen deren Fans in Massen herbei. Dürfte man dann für eine Nacht den Gegenwert einer Monatsmiete verlangen? Bevor nun ein Aufschrei durch die Reihen geht, dass der Papst nicht mit Madonna zu vergleichen sei – was zumindest teilweise zutrifft –, möchte ich betonen, dass es mir gerade um den Unterschied geht.
Wenn Sie nun sagen: Das ist so oder so Wucher, ist die Sache für Sie beantwortet. Dazu würde man ja fast tendieren. Andererseits sind die Menschen nicht auf der Flucht, es herrscht keine Notlage, die Sie ausbeuten; während des Oktoberfests zahlt man auch mehr für ein Hotelzimmer in München. Nun hätte ich einfach nicht gern fremde Leute in meiner Wohnung, aber ab einem bestimmten Betrag würde ich sogar den Papst aufnehmen.
In allen anderen Fällen zwingt Sie diese Überlegung dazu, sich über Ihr Verhältnis zum Glauben, das Sie etwas vage mit »Ich bin kein Christ« umschreiben, klar zu werden. Die Glaubens- und Religionsfreiheit gibt es nämlich auch negativ, das heißt, Sie können für sich entscheiden, wie weit Sie sich distanzieren wollen. Das kann Ihnen niemand abnehmen. So können Sie sagen, dass Sie zwar selbst kein Christ oder überhaupt nicht gläubig sind, aber Glauben als solchen hoch schätzen und deshalb andere darin unterstützen. Dann sollten Sie vom Papstpilger nicht so viel verlangen wie vom Madonnafan. Wenn Sie dem Glauben anderer neutral gegenüberstehen, können Sie beiden gleich viel abnehmen. Sie können in Ihrer negativen Glaubensfreiheit auch der Meinung sein, dass Glauben und Religionen – allgemein oder manche – Unsinn sind oder sogar Unheil darin steckt, während Popmusik Menschen zueinander und zum Tanzen und Singen bringt, und deshalb den Papstfan stärker zur Kasse bitten oder ganz abweisen.
Und Sie können schließlich den Menschen als solchen betrachten und unabhängig von Ihrer persönlichen Einstellung den starken Wunsch eines Menschen, der aus seinem Innersten kommt, so weit respektieren oder wertschätzen, dass Sie sich an ihm nicht übermäßig bereichern wollen. Sicherlich nicht die schlechteste Überlegung.
Interessant zu diesem Thema:
In rechtlicher Hinsicht ist die Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit ist in Artikel 4 des Grundgesetztes ausdrücklich formuliert:
Art 4
(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
Darin ist nach allgemeiner Auffassung auch ihre negative, also auch glaubensfeindliche Form geschützt (siehe z.B. Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 4 Randnummer 1a).
Zur negativen Glaubensfreiheit siehe insbesondere auch das sogenannte „Kruzifix-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts vom 16.5.1995 – Az 1 BvR 1087/91, BVerfGE 93, 1ff.
Illustration: Marc Herold