Name: Rebecca Rütten
Geboren: 20.06.1991 in Köln
Wohnort: Berlin
Ausbildung: Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Kommunikationsdesign, Bachelor of Arts
Webseite: www.rebeccaruetten.com
Instagram: becky_fuchs
SZ-Magazin: Frau Rütten, in Ihrer Fotoreportage In Vietnam I found peace porträtieren Sie drei US-Amerikaner, die Veteranen des Vietnamkriegs sind – und heute ausgerechnet in Vietnam leben, um dort ihre Kriegstraumata zu überwinden. Wie findet man Frieden am Schauplatz des eigenen Schreckens?
Rebecca Rütten: Bei einem so tiefsitzenden Trauma wie einer Kriegserfahrung gilt es in der Traumatherapie tatsächlich als bester Weg, sich täglich damit zu konfrontieren und eine Möglichkeit zu finden, das Getane wieder gut zu machen. Wie kann ich mich engagieren, wie kann ich mit Betroffenen arbeiten, wie kann ich anderen Veteranen helfen? Die Zahl der Menschen, die nach dem Krieg in Vietnam Suizid begangen haben, ist höher als die Zahl der US-Soldaten, die in dem Krieg gestorben sind. Doch nie wurde erzählt, dass für viele US-Soldaten die Rückkehr nach Vietnam die einzige Möglichkeit war, mit ihrer posttraumatischen Belastungsstörung umzugehen.
Warum sind die Augen der Männer auf Ihren Porträts geschlossen?
Ich wollte, dass sie sich an einen Moment erinnern, der etwas für sie verändert hat. Das kann ein Zusammenbruch sein oder ein Moment der Erlösung. Ich habe sie gebeten, ihre Augen zu schließen und habe gewartet, bis sich in ihrem Gesicht etwas verändert – erst dann habe ich ausgelöst.
Die fotografierten Veteranen setzen sich heute für Kriegsgeschädigte ein, Sie bezeichnen sie als Anti-Kriegs-Aktivisten. Ist das ein Streben nach Sinn – oder Sühne?
Ich glaube, das ist eine Mischung aus beidem, aber vor allem ein Streben nach Sinn. Denn was ihnen passiert ist, ergab für sie am Ende keinen Sinn. Sie wurden als junge Männer in einen Krieg geschickt, der mit ihnen selbst nichts zu tun hatte. Man sagte ihnen, sie kämpften für ihr Land, sie seien die Söhne Amerikas – und als sie zurückkehrten, wurden sie mit ihren Erfahrungen allein gelassen.
Inwiefern?
Sie durften nie über ihre Erfahrungen in Vietnam sprechen, so als wäre das alles nicht passiert. Viele der Männer kehrten in die USA zurück und fingen an zu trinken, Drogen zu nehmen, waren schlechte Familienväter. Als sie älter waren, in Rente gingen, die Familie vielleicht aus dem Haus war und sie anfangen mussten, sich mit ihren Problemen zu beschäftigen, haben viele von ihnen Suizid begangen. Es ist doch fatal, seine Staatsbürger in einen Krieg zu schicken und dann nicht weiter mit ihnen zu arbeiten.
Ist das in Vietnam besser gelungen?
Ja, und das lag auch daran, dass in der vietnamesischen Kultur das Verzeihen eine sehr große Rolle spielt, unter anderem durch den Buddhismus. Als der Krieg vorbei war, konnten die meisten Veteranen in ihre Dörfer zurückkehren, sie wurden wertgeschätzt und ihnen wurde geholfen. Alle Vietnamesen, mit denen ich mich unterhalten habe, verzeihen den Amerikanern komplett.
Ist es diese Kultur des Verzeihens, die die Traumabewältigung im ehemaligen Kriegsgebiet überhaupt möglich macht?
Ja, ich glaube, nur so können beide Parteien darüber hinwegkommen. Ich habe auch jüngere Veteranen getroffen, die zum Beispiel im Irak oder in Afghanistan waren. Sie hatten die gleichen Probleme und dasselbe Leid in den Augen wie die alten Männer. Sie hofften, dass sie irgendwann das Gleiche tun können wie die US-Veteranen, die nun in Vietnam leben. Einer der drei US-Veteranen, David Clark, vergleicht sein Trauma mit der Suche nach einem Parkplatz: »Es ist, als suche man einen freien Platz in einem Parkhaus, aber es gibt keinen. Das Parkhaus ist dein Kopf, und die Kreise, die das Auto dreht, sind die schrecklichen Gedanken darin, die niemals aufhören.«
Haben Sie das Gefühl, Ihre Porträtierten haben nun einen Parkplatz für ihre Erfahrungen gefunden?
Irgendwie schon, aber nur solange sie in Vietnam sind. Sie haben immer noch Albträume und Momente, in denen es ihnen nicht gut geht, vor allem an Jahrestagen. Sie haben ihren Frieden gefunden, aber eine richtige Heilung von posttraumatischer Belastungsstörung ist eine Mammutaufgabe – vor allem, wenn das Erlebte vierzig Jahre lang nicht aufgearbeitet wurde.