Sturm der Liebe?

Ein Gipfeltreffen in Oberbayern, das Einheit symbolisieren soll. Aber nur Friedrich Merz kommt im Janker, Markus Söder tritt ausnahmsweise ohne Tracht auf. Unsere Stilkolumnistin fragt sich, ob das mehr als Zufall ist.

Eintracht oder Zwietracht? Die Bilder von Markus Söder und Friedrich Merz sind nicht ganz entschlossen.

Foto: dpa

Alte Moderegel bei Staatsbesuchen: landestypische Kleidung tragen. François Hollande zeigte sich bei einer Kasachstan-Reise schon mal in Fellmantel und Pelzmütze, die britische Königsfamilie hängt sich auf Karibikinseln regelmäßig Blumenketten um den Hals. Manchmal ist es Vorschrift, häufig Anbiederung, meistens sieht es ziemlich bescheuert aus.

Warum also schlüpfte der designierte CDU-Vorsitzende Friedrich Merz beim Antrittsbesuch (offizieller Titel: »Arbeitstreffen«) am Montag bei seinem Unions-Kollegen Markus Söder (offizieller Titel: »bayerischer Ministerpräsident«) in einen Janker? Jene klassische Trachtenjacke, die eigentlich eher Söder-Terrain ist, während der Bayer umgekehrt dunkelblaue Allzweckjacke trug. Soll das jetzt für Eintracht stehen, nachdem die Schwesterparteien CDU und CSU im Wahlkampf zuletzt wenig brüderlich unterwegs waren? Oder bedeutet das schon wieder Zwietracht, weil der CSU-Chef den Neuen damit wie einen Zugereisten aussehen lässt?

Für die Bildkomposition jedenfalls ist einer ganz in Blau und der andere komplett in Schlammfarben natürlich viel besser, und was Inszenierung angeht – so viel muss man Söder lassen – ist der CSU-Politiker sehr gewieft. Schon früh ließ er sich als bayerischer Umweltminister am See mit Angelkescher und nackten Füßen ablichten, dann stellte er das Obama-Bild auf Holzbank in Schloss Elmau nach, zuletzt der Top-Gun-Verschnitt im Eurofighter. Seine Fotoserien können es ja allmählich schon mit Wladimir Putin, diesem anderen Meister der politischen Selbstdarstellung aufnehmen, obgleich Söder bislang immer konsequent das Oberhemd anbehält.

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Auch für das Schaulaufen mit Merz ist die Kulisse wieder sorgfältig gewählt: der Kirchsee bei Bad Tölz, langer Steg als Runway für kumpelhaftes (wie irgendwie rumpelhaftes) Arm-in-Arm-Laufen, herrliches Bergpanorama für zwei Männer mit Weitblick, am Ufer eine Bank für ausgeruhte Gespräche. Das Schild Betreten »der Eisfläche auf eigene Gefahr«, das auf einigen Bildern zu sehen ist, mag Zufall oder lustige Randnotiz des Fotografen sein, aber auch dieser Hinweis in Richtung Merz passt irgendwie perfekt.

So sehr hier angeblich auf Verbrüderung gemacht werden soll, so unterschiedlich ist allerdings die Betriebstemperatur der Bildunterschriften von den beiden Unions-Politikern auf Instagram: @merzcdu: »Gutes Gespräch mit Markus Söder am Kirchsee in Oberbayern.« Ortsangabe, Inhaltsangabe, Personenangabe. Die hohe Kunst der stocknüchternen Verknappung. Bei @markus.soeder hingegen liest sich das alles etwas enthusiastischer: »Neustart: @cdu und CSU schließen sich wieder eng zusammen. Gute und intensive Abstimmung mit @merzcdu in Bayern. Wir freuen uns auf erfolgreiche Zusammenarbeit.« Ein Caption-Analytiker würde jetzt wahrscheinlich schlussfolgern, dass die eine Partei ein bisschen mehr Spaß bei diesem stürmischen Winterspaziergang hatte als die andere, aber das wäre natürlich pure Spekulation.

Sicher hingegen ist: Markus Söder hat mit diesem Fototermin im noch sehr jungen 2022 bereits eine erste erstklassige PR-Nummer hingelegt. Auf Twitter wurden die Bilder rauf und runter kommentiert, zu Memes verarbeitet und geteilt. Sämtliche Zeitungen schrieben über den inszenierten Neustart. Soll noch mal einer sagen, Opposition sei Mist.