Das Problem: Frauen verdienen in Deutschland immer noch 21 Prozent weniger als Männer. Der deutsche »Gender Pay Gap« liegt deutlich über dem europäischen Durchschnitt.
Die Lösung: Gehaltstransparenz wie in Dänemark.
Toll: Gerade hat Deutschland gefeiert, dass wir Frauen seit 100 Jahren wählen dürfen. Super! Fantastisch! Und nun wird Berlin auch noch den Frauentag am 8. März zum Feiertag erklären. Hurra!
Jetzt fehlt nur noch, dass wir nicht nur gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft sind, sondern auch gleich bezahlte. »Gender Pay Gap« klingt auf englisch noch relativ cool, auf deutsch aber ernüchternd: Ute bekommt immer noch 21 Prozent weniger Geld als Uwe. Der Global Gender Gap Report des Weltwirtschaftsforums sieht Deutschland abgeschlagen auf einem deprimierenden Platz 14 (vor zwölf Jahren waren wir schon mal besser, da lagen wir auf Platz 5).
Es fehlt nicht an guten Ratschlägen. Am allerhäufigsten kommt der »Lean-In!«-Befehl: Frauen sollten weniger als Kindergärtnerinnen und mehr als Computerprogrammiererinnen arbeiten, mal richtig mit der Faust auf den Tisch hauen und mehr Kohle fordern, bis hin zu handfesten Gerichtsprozessen (der Prozess von ZDF-Frontal 21 Reporterin Birte Meier um gleiche Bezahlung geht gerade in die zweite Runde, um nur ein Beispiel zu nennen). Es nützt alles nichts: Deutschland steht auch im europäischen Vergleich erbärmlich schlecht da. (Okay, gute Nachricht: International liegt der Gap bei 51 Prozent, wir sind durchaus besser als Uganda.)
Die Lösung: Ein Blick nach Dänemark. Seit 2006 müssen dort Betriebe mit mehr als 35 Mitarbeitern die geschlechterspezifischen Gehaltsstrukturen offenlegen und die Gehaltspolitik begründen. Konkret: Die Firmen müssen natürlich nicht ans schwarze Brett hängen, wie viel Hauptabteilungsleiter Müller verdient, sie müssen aber anonymisiert melden, was weibliche und was männliche Angestellte bekommen. Alle Mitarbeiter können diese Informationen einsehen. Die Universität von Kopenhagen hat den Erfolg des Gesetzes nun über einen Zeitraum von zehn Jahren genau unter die Lupe genommen und festgestellt: Es funktioniert. Der Gender Pay Gap sank dadurch um etwa 7 Prozentpunkte und liegt nun bei 15,1 Prozent.
Noch nicht perfekt, aber wesentlich besser als in Deutschland.
Auch in Deutschland gibt es seit einem guten Jahr ein »Entgelttransparenzgesetz«. Das gilt aber, anders als in Dänemark, nur für Betriebe ab 200 Mitarbeitern und ist nicht mit Sanktionen verbunden. Deshalb halten sich zwei Drittel der Betriebe nicht dran, meldete jüngst der Spiegel und berief sich dabei auf die Hans-Böckler-Stiftung. In Dänemark hingegen müssen Firmen Geldstrafen bezahlen, gestaffelt nach Firmengröße, wenn sie die Gehälter nicht offenlegen. Die deutsche Lösung ist also weniger ein Gesetz als eine höflich vorgetragene Bitte. »Bitte, Chefs, sagt uns doch, wie viel ihr Männern und Frauen bezahlt, damit wir vielleicht was daran ändern können.«
Denn der erste Schritt zu mehr Gerechtigkeit ist immer, überhaupt zu erfahren, wo die Ungerechtigkeiten liegen: Auch die Schauspielerin Michelle Williams musste erst herausfinden, dass ihr Kollege Mark Wahlberg 1,5 Millionen für den Nachdreh zu »All the Money in the World« bekam im Vergleich zu ihren mickrigen 1000 Dollar. Und erst durch den sogenannten Sony-Hack wurde Jennifer Lawrence klar, dass sie zwar die bestbezahlte Schauspielerin der Welt ist, aber für American Hustle wesentlich weniger bekam als, wie sie es formulierte, »the lucky people with dicks«, also die Männer.
Alle internationalen Beispiele zeigen: Erst wenn die Fakten transparent auf dem Tisch liegen, gibt es Konsequenzen. In Dänemark etwa hat sich die Kluft vor allem dadurch verringert, dass die Gehälter der Männer in den 10 Jahren mit Gehaltstransparenz langsamer stiegen als vorher. Die größere Transparenz führte außerdem dazu, dass Firmen mehr Frauen einstellten und diese eher beförderten.
Und das wiederum führt dazu, dass auch viel grundsätzlichere Unterschiede und Ungerechtigkeiten gemindert werden. Denn der Gender Pay Gap liegt nicht nur an unterschiedlichen Gehaltsniveaus in ein- und derselben Firma, sondern an strukturellen Unterschieden, also etwa daran, dass mehr Frauen Krankenschwestern und mehr Männer Vorstandsvorsitzende werden und Frauen eher mit einem Baby zuhause bleiben. Auch da ist Dänemark Vorbild. Die Zeit beschreibt in der aktuellen Ausgabe, wie diese Unterschiede zustande kommen:
»Eine Untersuchung von Forschern an fünf Universitäten – darunter die amerikanische Princeton University – hat Deutschland soeben ein katastrophales Zeugnis ausgestellt: In keinem anderen der sechs untersuchten Länder erleben Mütter nach der Geburt ihres ersten Kindes einen derart steilen Karriereknick wie hierzulande. Schlimmer noch: Sie holen diesen Rückstand später meist nicht mehr auf. Auch zehn Jahre nach der Geburt verdienen sie im Schnitt 61 Prozent weniger als im Jahr vor der Geburt. Dänische und schwedische Mütter büßen »nur« 21 beziehungsweise 27 Prozent ihres Gehalts ein.«
Ja, es gibt auch hierzulande Fortschritte, aber bescheidene. Der Frauenanteil in den Führungsgremien von börsennotierten Unternehmen ist von 6,5 Prozent im Jahr 2017 auf 7,3 Prozent im Jahr 2018 geschlichen. Der Gender Pay Gap ist in Deutschland in den vergangenen fünf Jahren von 22 auf 21 Prozent geschrumpft. Einige Firmen haben sich mit ehrlichen Initiativen hervorgetan, allen voran Software-Konzerne wie IBM oder SAP, die tatsächlich gleiches Geld für gleiche Leistung zahlen wollen.
Letztendlich aber liegt es an etwas anderem, nämlich an den Rollenbildern. Die in der Zeit zitierten Studien kommen zu einem erschreckend eindeutigen Schluss:
»Mit Elterngeld und Krippenplätzen könne der Staat zwar vereinzelt Anreize für mehr Gleichheit der Geschlechter setzen. Der Einfluss sei insgesamt aber begrenzt, so das Fazit der Vergleichsstudie, in der Deutschland so schlecht abschneidet. Viel entscheidender sei, welche Rollenbilder in einer Gesellschaft existierten. Das Forscherteam hat diese Geschlechternormen anhand einer Umfrage ausgewertet und herausgefunden: In keinem anderen der sechs untersuchten Länder herrschen derart konservative Rollenbilder vor wie in Deutschland.«
Da schließt sich der Kreis: Mehr Transparenz sorgt für mehr Gerechtigkeit. Und mehr gutverdienende Chefärztinnen, Chefredakteurinnen und Chefingenieurinnen sorgen halt auch für ein anderes Rollenverständnis.
Wenn hingegen alles so weiterläuft wie bisher, dann schätzt das Weltwirtschaftsforum, dass es noch zwei Jahrhunderte dauern wird, bis Frauen und Männer weltweit am Arbeitsplatz gleichberechtigt sind.
Super, darauf freue ich mich schon. 2219 haben wir endlich wirklich was zu feiern! Sonst müssen wir am Ende noch das Parteiprogramm der Satiregruppe »Die Partei« aufgreifen, die fordert: »Um die fruchtlose Debatte zum Gender Pay Gap in Führungsriegen zu beenden, werden Managergehälter zukünftig an die BH-Größe gekoppelt.« Das bekommen wir auch anders hin, oder?