Mariya Petrova ist Mikrobiologin, Beraterin zu Probiotika und dem menschlichen Mikrobiom und wissenschaftliche Lehrkraft bei Winclove Probiotics in Amsterdam:
»Bulgarien hat als einziges Land ein eigenes nach ihm benanntes Bakterium – das Lactobacillus bulgaricus. Das Milchsäurebakterium, das die Milch zum Gären bringt, war zugleich eines der ersten wissenschaftlich erforschten Milchsäuremikroorganismen. Seinen Namen gab ihm 1905 der bulgarische Mikrobiologe Stamen Grigorow. Er forschte in Genf an Joghurt, den ihm seine Familie aus Bulgarien geschickt hatte. Ebenfalls zu Beginn des 20. Jahrhunderts stellte der russische Immunologe und Nobelpreisträger Ilja Metschnikow fest, dass in Bulgarien damals überdurchschnittlich viele Hundertjährige lebten – und vermutete, dass der Joghurt und andere fermentierte Lebensmittel dahinter stecken könnten. Seitdem ist bulgarischer Joghurt Kult, unter anderem in Asien. In Vor-Corona-Zeiten pilgerten jährlich Tausende Besucher aus China und Japan nach Bulgarien, das ein eigenes Joghurtmuseum und -Institut hat.
Ob der Joghurt einst tatsächlich in Bulgarien entdeckt wurde, lässt sich schwer nachprüfen. Unsere Vorfahren waren ein Nomadenvolk aus Zentralasien. Der erste Joghurt entstand vermutlich zufällig, beim Transportieren von Milch mit Pferden, was ja nicht ganz steril ablaufen konnte. Bakterien sorgen für die Dicklegung der Milch. Tatsächlich wird in Bulgarien unglaublich viel Joghurt gegessen, ob zum Frühstück, mittags oder abends. Viele typischen bulgarischen Gerichte enthalten Joghurt, wie zum Beispiel die kalte Gurken-Joghurtsuppe Tarator oder der Gurken-Joghurt-Walnusssalat ›Snezhanka‹ (Schneewittchen). Mein Vater, der im zentralbulgarischen Karlowo lebt, verputzt täglich gut ein halbes Kilo Joghurt. Er macht ihn wie viele Bulgaren noch selbst. Bulgarischer Joghurt ist fester und schmeckt frischer, säuerlicher und einfach besser als viele Produkte, die ich im Ausland probiert habe. Echten bulgarischen Joghurt von bulgarischen Herstellern finden Sie in bulgarischen Lebensmittelgeschäften, die es inzwischen in vielen großen Städten gibt.«