Halloween ist zwar noch ein bisschen hin, aber welches Kostüm dieses Jahr besonders beliebt sein dürfte, steht schon fest: der grüne Trainingsanzug aus der Netflix-Serie The Squid Game. Auf Google und Shoppingplattformen wie Lyst schießen die Suchanfragen in die Höhe. Was daran so gruselig sein soll, werden auf den Partys natürlich nur Eingeweihte verstehen. Ansonsten sieht das Ding ja erstmal wie ein Retro-Tracksuit aus den späten Siebzigern oder Achtzigern aus, was fälschlicherweise auf die Fährte »Hipster-Verkleidung« führen könnte. Für manche auch der blanke Horror. Aber hier geht es um etwas ganz anderes.
Bei der südkoreanischen Serie, die gerade alle Rekorde bricht und zur erfolgreichsten Netflix-Produktion aller Zeiten avanciert, werden die Trainingsanzüge von Menschen getragen, die ums nackte Überleben kämpfen. Nicht wie bei The Hunger Games im direkten Zweikampf oder in freier Wildbahn. Die tragischen Gestalten in Tannengrün müssen bei scheinbar harmlosen Kinderspielen gegeneinander antreten, das Squid Game ist eins davon, nur dass die Verlierer sofort mit dem Leben bezahlen.
»Warum sollte man Kollektionen zu Stranger Things gemeinsam mit H&M herausbringen, wenn man sie viel lukrativer selbst verticken kann?«
Ohne zu viel zu verraten, muss man zumindest noch wissen, dass sich dieses makabre Treiben ein sehr reicher Mann ausgedacht hat, der mit seinen »Managern« und »Soldaten« das Spiel überwacht. Die »Teilnehmer«, die alle einen Haufen Schulden haben, ködert er mit dem Versprechen auf viel Geld, was erwartungsgemäß auch in ihnen nicht die besten moralischen Qualitäten zu Tage fördert. Brutal, sadistisch und deprimierend ist die Handlung sowieso, aber vor allem was die gesellschaftliche Entwicklung angeht, läuft es einem permanent kalt den Rücken runter.
Doch zurück zu den Kostümen. Die Zwangsspieler tragen also Jogginganzug während die Aufpasser in pinkfarbenen Schutzanzügen und schwarzen, ans Fechten erinnernde Gesichtsmasken auftreten – wer sich hier ästhetisch nicht an die Pandemie erinnert fühlt, war nicht dabei. Auch das ist schon wieder zutiefst verstörend, das Kostüm im Grunde doppelt gruselig: Horror-Serie und Lockdown-Fetisch in einem. Dagegen wirkt eine Freddie-Krueger- oder Zombie-Verkleidung geradezu niedlich.
Sich in den Bann ziehen lassen ist das eine, gleich Bannerwerbung zu machen das andere
Was ebenfalls befremdlich ist: Netflix testet mit dieser Serie erstmals einen eigenen Online-Store für Merchandising-Artikel. Dass das bald kommen würde, war klar. Bridgerton (tiefe Dekolletés) oder Das Damengambit (Sixties, Schwarz-Weiß) zeigten eindrucksvoll, wie Streaming-Hits heute Modetrends setzen. Und warum sollte man Kollektionen zu Stranger Things gemeinsam mit H&M herausbringen, wenn man sie viel lukrativer selbst verticken kann? Bald werden also Horden von Teenagern in Squid-Game-Hoodies herumlaufen, die das Kreis-Dreieck-Quadrat-Symbol der geheimnisvollen Organisation aufgedruckt haben. Oder gleich die Häftlingsnummer, wie bei den Spielern in der Serie.
Schon klar, dass heute alles ausgeschlachtet wird. Der Merchandise-Hype in der Mode war noch nie größer, von allem gibt es plakative, simpel herzustellende Fan-Shirts: von Serien, Popstars, Videospielen oder einfach den Modemarken selbst. Viel hinterfragt wird beim Fandom nicht. Das sieht man schon an den Millionen verkaufter Trikots von Paris Saint-German, deren Allstar-Fußballtruppe bekanntlich dem Emir von Katar gehört.
Aber das Zeichen einer Serie stolz auf der Brust herumtragen, die zwar extrem gut gemacht ist, deren Inhalt jedoch einigermaßen problematisch ist? Sich in den Bann ziehen lassen ist das eine, gleich Bannerwerbung zu machen das andere. Zumal man bereits hört, dass zehnjährige Kinder auf Schulhöfen die Spiele nachmachen; glücklicherweise bislang ohne die letzte Konsequenz. Freigegeben ist The Squid Game übrigens ab 16 Jahren. Vielleicht lieber die Altersbeschränkung noch einmal im Freundeskreis bewerben.
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