Alles im Fluss

Alkohol sollte natürlich kein Ventil für Stress sein. Unsere Autorin ist vor kurzem trotzdem darauf hereingefallen – mit durchwachsenem Ergebnis.

Foto: Maurizio Di Iorio

Es ist 12 Uhr. In meiner Handtasche sind zwei Klemmbretter in den Farben Pink und Grün und zwei Flaschen »Astra«. Eins von den Klemmbrettern gebe ich dem Stage Manager, das Bier stelle ich backstage zu all dem anderen Alkohol in den Kühlschrank, das Bier hat auch einen symbolischen Wert, ich hab es extra aus Hamburg mit nach Berlin gebracht. Okay, sage ich zum Stage Manager, ich bin jetzt da, deine Assistant Stage Managerin. Ich bin ein bisschen nervös, ich hab so was noch nie gemacht.

Das wird super, sagt der Stage Manager, wir dürfen nur nicht zu früh anfangen, Bier zu trinken, alles klar, sage ich, vielleicht so gegen neun, sagt er, und ich sage noch mal, dass dann ja wohl alles klar ist.

13 Uhr: Der Einlass steht, und die, die den Einlass regeln sollen, stehen an der Tür, sie haben Kassen, Wechselgeld, Gästelisten und verschiedenfarbige Handgelenkbändchen, der Stage Manager und ich sind die einzigen ohne irgendwelche Bändchen, wir brauchen keine, wir haben Klemmbretter und befugte Gesichter.

Meistgelesen diese Woche:

13.30 Uhr: Einlass, der Laden füllt sich, ich fühle einen Rhythmus, wir sind am Start, ja, ja, deine Mudder.

14 Uhr: Eröffnungsrede, und ich sammle schon mal meine Podiumsgäste ein, weil ich gleich noch schnell eine Sache moderieren muss.

14.30 Uhr: Ich denke zwar daran, die Mikros richtig zu verteilen, aber zehn Minuten später, als wir schon voll im Gespräch sind, fällt mir auf, dass in der Mitte der Bühne noch der Mikrofonständer von der Eröffnungsrede steht, ich hab ihn nicht zur Seite gestellt, jemand merkt es, holt den Mikrofonständer von der Bühne und haut ihn aus Versehen einer sehr lieben Frau gegen die Oberlippe, ich sehe parallel zur Modera­tion der Lippe dabei zu, wie sie anschwillt.

15.30 Uhr: Ich stolpere etwas überhastet von der Bühne und frage den Stage Manager, ob wir bitte jetzt schon die zwei Bier aus dem Kühlschrank trinken können. Er legt kurz den Kopf schief, aber ach.

15.40 Uhr: Biertrinkend scheuche ich die Gäste fürs nächste Podium durch die Halle und sehe nach, ob am Einlass alles okay ist, ist es, darauf trinken wir schnell noch zwei Bier, weil auf einem Bein und so weiter.

16.45 Uhr: Der Stage Manager macht sich ein bisschen Sorgen, weil er gleich hinter der Bühne fremde Technik bedienen muss, auf die Sekunde genau, kein Problem, sage ich, die Technik kenne ich, kriegen wir hin, erleichtert machen wir noch zwei Bier auf.

16.55 Uhr: Wir verkacken das Ding mit der Technik, aber es fühlt sich gar nicht so schlimm an. Als doch kurz Kritik kommt, machen wir zur Entlastung zwei Bier auf, und irgendwie verschwimmen jetzt die Zeiten und die Temperaturen, mal stehe ich am Einlass und friere, mal schimpfe ich hinter der Bühne irgendwen aus oder werde ausgeschimpft und schwitze, und irgendwann nach dem letzten heiklen Moment in unserem Plan organisiere ich uns zwei G & T. Unsere Aufgabe besteht nur noch darin zu tanzen, damit die Band sich wohlfühlt, und nach dem Konzert mehr G & T für die DJs zu organisieren, damit die sich auch wohlfühlen.

0.40 Uhr: Ein Freund aus Süddeutschland kommt in den Saal gestrahlt, ich hab ihn den ganzen Abend über vermisst, er sagt, er war irgendwo und er habe den Rucksack voller bayerischer Drogen, und ich sage, nein, einfach nur nein, weißt du, ich hab viel zu früh angefangen, Bier zu trinken, und dann,

und dann,

und dann …